Leopard
Meine eigentliche Qualifikation besteht also nicht darin, die geniale Ermittlerin Katrine Bratt zu sein, sondern …«, sie machte eine Geste mit der Hand, »… die unzurechnungsfähige Patientin Katrine Bratt, die strafrechtlich nicht verfolgt werden kann.«
»Korrekt«, sagte Harry mit einem Lächeln. »Und dass du eine der wenigen bist, die, wie ich weiß, den Mund halten können. Und wenn du schon nicht genial bist, so doch überdurchschnittlich intelligent.«
»Drei raue Nikotinfinger in dein enges Arschloch.«
»Niemand darf erfahren, was wir hier machen. Aber ich verspreche dir, wir sind hier die Blues Brothers.«
»On a mission from God?«
»Ich habe das Passwort auf die Rückseite des Sticks geschrieben.«
»Was lässt dich glauben, dass ich es schaffe, diese Suchmaschinen zu nutzen?«
»Das ist wie googeln, selbst ich hab das geschafft, als ich beim Staatsschutz war.« Er grinste schief. »Diese Maschinen sind ja schließlich für Polizisten gedacht.« Sie seufzte tief. »Danke«, sagte Harry. »Ich habe nichts
gesagt
!«
»Was glaubst du, wann du was für mich hast?«
»Verdammt, Mann!« Sie schlug mit der Hand auf den Tisch. Harry bemerkte einen Pfleger, der zu ihnen herübersah. Harry hielt Katrines Blick stand. Wartete.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Ich glaube kaum, dass ich am helllichten Tag im Hobbyraum sitzen und diese illegalen Suchmaschinen nutzen kann, um es mal so auszudrücken.«
Harry stand auf. »Okay, ich melde mich in drei Tagen bei dir.«
»Hast du nichts vergessen?«
»Was denn?«
»Mir zu sagen,
what's-in-it-for-me?«
»Nun«, sagte Harry und knöpfte sich den Mantel zu. »Ich weiß ja jetzt, was du dir wünschst.«
»Was ich mir wün…« Die Ratlosigkeit in ihrem Gesicht wich der Verblüffung, als ihr dämmerte, worauf er anspielte. Dann rief sie Harry, der bereits auf dem Weg zur Tür war, nach: »Du freches Arschloch! Und eingebildet bist du auch noch!«
Harry setzte sich ins Taxi, sagte »Flughafen«, fischte sein Handy aus der Tasche, er hatte drei Anrufe von einer der beiden gespeicherten Nummern verpasst. Gut, das bedeutete, sie hatten etwas gefunden. Er rief zurück.
»Lyseren«, sagte Kaja. »Eine Seilmacherei, die vor fünfzehn Jahren stillgelegt wurde. Der Dorfpolizist kann uns heute Nachmittag die Stelle zeigen. Es gibt ein paar notorisch Kriminelle in der Gegend, aber da geht es immer nur um Kleinkram, Einbrüche und Autos. Und einen, der im Bau war, weil er seine Frau verprügelt hat. Er hat uns eine Einwohnerliste übermittelt, die ich gerade mit dem Strafregister abgleiche.«
»Gut. Holt mich in Gardermoen ab, das liegt auf dem Weg zum Lyseren.«
»Tut es nicht.«
»Stimmt, aber holt mich trotzdem ab.«
KAPITEL 19
Die weiße Braut
T rotz der niedrigen Geschwindigkeit legte sich Björn Holms Volvo Amazon auf den schmalen Straßen durch die Felder und Äcker 0stfolds wippend in die Kurven. Harry schlief auf dem Rücksitz.
»Dann gibt es also rund um den Lyseren keinen Sexualstraftäter?«, fragte Björn.
»Keinen, der jemals gefasst wurde«, korrigierte Kaja. »Hast du nicht die Umfrage in der
VG
gelesen? Einer von zwanzig gibt zu, mal so etwas wie einen sexuellen Übergriff begangen zu haben.«
»Sagen die Leute bei solchen Umfragen die Wahrheit? Wenn ich bei einer Frau zu weit gegangen wäre, hätte mein Unterbewusstsein das sicher längst verdrängt.«
»Und, bist du?«
»Ich?« Björn scherte aus und überholte einen Traktor. »Nee. Ich bin einer von den neunzehn. Ytre Enebakk. Mann, wie heißt denn noch dieser komische Kauz von hier? Den man immer im Fernsehen sieht? Dieser Dorftrottel mit der kaputten Brille und dem Moped? Mann, der war doch aus Ytre Enebakk. Echt hysterisch paranoid.«
Kaja zuckte mit den Schultern. Björn sah in den Rückspiegel, starrte aber nur in Harrys offenen Mund.
Der leitende Polizist von Ytre Enebakk wartete wie vereinbart an der Kläranlage in Voyentangen auf sie. Sie parkten den Wagen, und der Beamte stellte sich als Skai vor – was Björn Holm natürlich besonders gefiel. Sie folgten ihm zu einem Bootsanleger, an dem ein Dutzend Boote im stillen Wasser vertäut waren.
»Ganz schön früh, um Boote ins Wasser zu lassen«, sagte Kaja.
»Es hat den Winter über kein Eis gegeben, kommt wohl auch keins mehr«, sagte Skai. »Zum ersten Mal seit meiner Geburt.«
Sie stiegen in einen breiten Kahn mit flachem Boden, wobei Björn sein sichtliches Unbehagen nicht verhehlen konnte.
»Es ist flach
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