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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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1.
    M exiko, Bundesstaat Coahuila y Tejas im Jahr 1830 am Rio Colorado.
    Die beiden Reiter auf der Anhöhe wirkten wie Standbilder. Selbst ihre gescheckten Pferde regten kein Schwanzhaar, um die Stechmücken zu vertreiben. Walther Fichtner spürte, wie ihm die Hände feucht wurden. Er empfand es wie ein lautloses Duell um die Frage, wer als Erster die Nerven verlor und zur Waffe griff. Seiner Büchse war er sicher, doch er verfügte nur über einen mit einer Kugel geladenen Lauf. Damit konnte er einen der beiden Indianer niederschießen. Für den zweiten, mit Schrot gefüllten Lauf waren die beiden Reiter zu weit entfernt – zudem standen sie zwischen ihm und seiner Farm. Gisela hielt sich dort allein auf, da er seinen Knecht zu Diego Jemelins Hacienda geschickt hatte, um Eisennägel zu besorgen. Seine drei Viehhirten bewachten die Herde und würden zwar seinen Schuss hören, aber niemals rechtzeitig das Haus erreichen, um seiner Frau beistehen zu können.
    Nach diesen Überlegungen legte Walther seine Büchse so über die Schulter, dass die Indianer nicht fürchten mussten, er wolle sofort schießen, und ging auf sie zu. Dabei versuchte er, der Angst Herr zu werden, sie könnten ihre Pferde antreiben und zum Farmhaus reiten. Denn so schnell er auch rannte, er würde zu spät kommen.
    Zu seiner Erleichterung machten die beiden keine Anstalten, ihren Platz zu verlassen. Sie hielten zwar ihre Bögen in der Hand, zielten aber nicht auf ihn. Dies wertete er als gutes Zeichen. Während er den Hang hochstieg, rief er sich in Erinnerung, was er über die Eingeborenen dieser Gegend wusste. Viel war es nicht. Seine mexikanischen Freunde teilten diese in zwei Gruppen ein, in jene Indios, die sich ihnen angepasst hatten und in ihren Dörfern lebten, und die Wilden, deren größte Freude es angeblich war, einem Mexikaner einen Pfeil in den Leib zu schießen. Die beiden Indianer vor ihm gehörten zur letzteren Gruppe.
    Etwa zehn Schritte von ihnen entfernt hielt Walther an und hob die Rechte zum Friedensgruß.
»Buenos días!«,
sagte er.
    Der Jüngere der beiden Reiter, ein untersetzter, kräftiger Mann mit rabenschwarzem Haar, in dem zwei Adlerfedern steckten, musterte ihn von oben herab. »Du Mann aus dem Norden?«
    Walther wusste, dass Männer aus den Vereinigten Staaten, von denen bereits etliche in Tejas siedelten, von den Mexikanern nicht gerne gesehen wurden, und auch dieser Indianer schien sie nicht zu mögen.
    »Nein!«, antwortete er. »Ich bin über das große Wasser gekommen und habe von der mexikanischen Regierung dieses Land hier erhalten, um es zu bebauen.«
    Der Indianer musterte ihn grimmig. »Ich Po’ha-bet’chy vom Volk der Nemene. Ich kämpfe gegen weiße Männer aus Norden. Ich nehme deinen Skalp!«
    »Was hast du davon?«, fragte Walther angespannt. »Ich habe dir nichts getan.«
    Po’ha-bet’chy warf einen Blick auf Walthers Büchse. Es war eine für diese Gegend ungewöhnliche Waffe mit zwei Läufen unterschiedlichen Kalibers und feinen Gravuren auf den Metallbeschlägen. Graf Renitz hatte sie vor mehr als dreißig Jahren Walthers Vater zur Hochzeit geschenkt. Später hatte Holger Stoppel sie benützt, bis sie schließlich in Walthers Hände gelangt war. Einst gemacht, um in deutschen Forsten Wild zu schießen, erfüllte sie nun in der Wildnis von Tejas ihre Dienste.
    »Du schönes Gewehr«, sagte der Nemene. »Du zeigen!«
    Damit brachte er Walther in die Klemme. Wenn er dem Indianer die Büchse gab, war er selbst waffenlos und ein leichtes Opfer. Weigerte er sich jedoch, zeigte er, dass er dem anderen misstraute. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er langsam auf den Reiter zutrat und ihm schließlich die Büchse hochreichte.
    »Hier! Sie stammt aus der Stadt Suhl in Thüringen. Dort leben die besten Büchsenmacher Deutschlands.«
    Die drei Begriffe sagten Po’ha-bet’chy nichts, aber die Waffe gefiel ihm. Er musterte den eingravierten Hirsch auf dem Beschlag und die unbekannten Schriftzüge. Danach roch er an den Mündungen der beiden so unterschiedlichen Läufe. Kurz legte er die Waffe auf Walther an und lachte, als dieser zurückzuckte.
    »Gutes Gewehr. Will schießen!« Noch während er es sagte, entdeckte er ein Kaninchen, das knappe hundert Schritt entfernt aus seinem Bau herauskam. Er zielte darauf und drückte ab. Der Schuss knallte, und noch während das Kaninchen sich überschlug und liegen blieb, stoben mehrere Präriehühner aus einem Gebüsch auf. Aus einem Reflex

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