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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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antwortete nicht.
    Tony warf noch einen Blick auf die Uhr. »Ich fürchte fast, wir müssen ohne ihn anfangen.«
    Er kommt, dachte Kaja. Ich muss ihm einfach noch ein bisschen Zeit verschaffen.
    »Und dann sind Sie abgehauen«, sagte sie, »mit dem Pass Ihres Vaters und seiner Zahnspange?«
    Tony sah sie an.
    Sie wusste, dass er wusste, was sie vorhatte. Aber auch, dass er gern erzählte. Stolz darauf war, wie er sie ausgetrickst hatte. Das war bei allen so.
    »Wissen Sie was, Kaja? Ich wünschte mir, mein Vater wäre jetzt hier und könnte mich sehen. Hier, auf meinem Gipfel. Ich wünschte mir, er hätte mich gesehen und verstanden. Bevor ich ihn tötete. So wie Lene verstanden hat, dass sie sterben muss. Und wie auch Sie das hoffentlich inzwischen verstanden haben, Kaja.«
    Jetzt spürte sie sie. Die Angst. Mehr ein physischer Schmerz als Panik, die jeden rationalen Gedanken unmöglich machte. Sie sah klar, hörte klar und dachte klar. Klarer als jemals zuvor, kam es ihr vor.
    »Sie haben zu töten begonnen, um zu vertuschen, dass Sie untreu waren«, sagte sie, mit etwas heiserer Stimme. »Um sich die Millionen der Galtungs zu sichern. Aber was ist mit dem Geld, das Sie Lene abgeluchst haben, reicht das wirklich, um Ihr Projekt hier unten zu retten?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Tony mit einem Lächeln und legte die Finger um den Schaft der Pistole. »Wir werden sehen. Aussteigen!«
    »Ist es das wert, Tony? Ist das wirklich all diese Menschenleben wert?«
    Kaja hielt die Luft an, als ihr der Lauf der Pistole zwischen die Rippen gedrückt wurde. Tonys Stimme fauchte in ihr Ohr:
    »Sehen Sie sich um, Kaja. Das hier, das ist die Wiege der Menschheit. Sehen Sie doch selbst, was hier ein Menschenleben wert ist. Ein paar sterben, und umso mehr werden geboren. Es ist ein ewiges Rennen, eine Runde nach der anderen, und das eine macht nicht mehr Sinn als das andere. Nur das Spiel ist von Bedeutung. Die Passion, die Leidenschaft. Spielsucht wird das von ein paar Idioten genannt. Dabei ist das alles wie der Nyiragongo. Er verschluckt alles. Lässt nichts übrig und ist zugleich die Voraussetzung für alles Leben. Ohne Passion, ohne einen Sinn, ohne die kochende Lava dort drinnen wäre hier draußen alles tot und steif gefroren. Leidenschaft, Kaja, haben Sie die? Oder sind Sie ein erloschener Vulkan, ein Staubkorn von einem Menschen, von dem nicht mehr bleiben wird als drei lächerliche Zeilen in einer Grabrede?«
    Kaja wich zur Seite, und Tony lachte schallend. »Sind Sie klar für die Weihen, Kaja? Bereit, aufgetaut zu werden?«
    Plötzlich roch sie die ätzenden Schwefeldämpfe. Der Fahrer hatte ihr die Tür geöffnet, sah sie voller Gleichgültigkeit an und zielte mit einem Gewehr mit kurzem Lauf auf sie. Noch hier, noch im Auto, zehn Meter vom Kraterrand entfernt, spürte sie die Hitze. Sie rührte sich nicht. Der schwarze Mann beugte sich in den Wagen und packte ihren Arm. Sie ließ sich ohne Widerstand herausziehen, machte sich dabei aber so schwer wie möglich, so dass er sein eigenes Gewicht einsetzen musste und nach hinten taumelte, als sie plötzlich auf ihn zu aus dem Wagen sprang. Der Mann war überraschend dünn und vermutlich sogar etwas kleiner als sie selbst. Sie schlug mit dem Ellenbogen zu. Wusste, dass sie dort viel mehr Kraft hatte als mit der Faust. Dass der Hals, die Schläfe und die Nase gute Ziele waren. Der Ellenbogen traf etwas, das knackend zu Bruch ging. Der Mann fiel zu Boden und verlor das Gewehr aus den Händen. Kaja hob den Fuß. Sie wusste, dass man einen am Boden liegenden Mann am effektivsten außer Gefecht setzte, wenn man ihm auf den Oberschenkel trat. Das Zusammenwirken eines kräftigen Trittes auf die Schenkeloberseite und des plötzlichen Drucks des Bodens gegen die Beinunterseite rief augenblicklich so kräftige Blutungen in der großen Schenkelmuskulatur hervor, dass die Person niemals in der Lage sein würde, sich zu erheben und sie zu verfolgen. Alternativ konnte man auf Brust oder Hals treten, aber das konnte fatalere Folgen haben. Sie hatte den Blick auf den entblößten Hals des Mannes gerichtet, als sie im Mondlicht sein Gesicht erkennen konnte und den Bruchteil einer Sekunde zögerte. Er war kaum älter als Even.
    Dann spürte sie die Arme, die von hinten um sie gelegt wurden und ihre eigenen Arme an die Seiten ihres Körpers drückten. Die Luft wurde aus ihrer Lunge gepresst, als sie hochgehoben wurde und hilflos mit den Beinen strampelte. Tonys Stimme klang amüsiert,

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