Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
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Als ich den Tatort erreichte, konnte ich das Blut des Mädchens schon riechen, bevor ich ihren in Neonlicht getauchten Körper in der Gasse liegen sah. Das Licht der Reklametafeln einer Bar verlieh der Szenerie einen traumähnlichen Charakter – das Straßenpflaster glitschig und scheinbar bodenlos, die Haut der Leiche rosafarben und fest.
Das Blut der Kleinen konnte ich riechen, weil ich eine Werwölfin bin. Angerufen hatte man mich, weil sie tot und ich die zuständige Mordermittlerin war.
Ein Polizist hielt mich mit erhobener Hand an. „Wo solls hingehen, Ma’am?“
Ich zog meine Jacke zur Seite und zeigte ihm die Dienstmarke an meinem Gürtel, die mich als Detective des Nocturne City Police Departments auswies. In dem schlechten Licht warf er einen blinzelnden Blick auf die Marke und nickte. „Entschuldigung, Detective … Wilder. Gehen Sie durch.“
Er hob das Absperrband an, was ich ihm mit einem Lächeln dankte. „Nennen Sie mich doch Luna, Officer …?“
„Thorpe, Ma’am.“ Er erwiderte mein Lächeln, und seine müden blauen Augen leuchteten kurz auf. Anscheinend hatte ich selbst um drei Uhr morgens in abgewetzten Bluejeans und mit einem T-Shirt voller Flecken von Fingerabdruckfarbe eine gewisse Wirkung auf Männer wie Thorpe. Meine Freizeitkleidung sah normalerweise anders aus, allerdings hatte sich diese Kombination als praktisch erwiesen – praktischer zumindest, als ständig Blut aus Seidentops herauswaschen zu müssen.
Thorpe rief mir hinterher: „Ich hoffe, Sie haben nichts zu Abend gegessen, Detective. Ist nämlich ’ne ziemliche Sauerei!“
Das waren ja fantastische Aussichten!
Ich ging geradewegs auf die rote Bierreklame zu, in deren Licht die Kriminaltechniker der Spurensicherung schon bei der Arbeit waren und ein Polizeifotograf mit einer digitalen Nikon Fotos vom Tatort schoss. Als ich stehen blieb und auf das Mädchen hinunterblickte, bemerkte ich, dass ich sehr nah an sie herangetreten war, sodass sich zwischen meiner Schuhspitze und der Leiche nur noch wenig Platz befand. An dem Hals des Mädchens klaffte eine breite Wunde, die von inzwischen getrocknetem Blut verkrustet war. Es schien, als hätte sich das gesamte Blut ihres Körpers bis auf einen armseligen kleinen Rest auf der Teerdecke der kleinen Seitenstraße verteilt. Die Lache verlieh dem Untergrund ein ölig-schmieriges Glänzen. An ihrer linken Hand war der Zeigefinger sauber am Fingergelenk abgetrennt worden. Geblieben war nur eine rot-weiße Scheibe, umgeben von geronnenem Blut.
Plötzlich sprach mich jemand an, und ich musste nach unten schauen, um meinen auf der Erde hockenden Gesprächspartner erkennen zu können. „Neuer Abend, neue Leiche. Schön, wenn sich bei der Arbeit mal Routine einstellt, oder?“
Es war die Stimme von Bart Kronen, einem der drei Gerichtsmediziner der Stadt, der neben der Toten hockte und dessen Glatze, wie alles andere am Tatort auch, im roten Neonlicht glänzte. Ich hockte mich ebenfalls neben die sterblichen Überreste des Mädchens.
„Als schön würde ich das Ganze hier nicht gerade bezeichnen“, antwortete ich. Als ich mich der Leiche genähert hatte, war mir aufgefallen, dass die Tote nicht nur den Geruch nach frischem Blut verströmte. Es lag auch noch eine schwere, moschusartige Note in der Luft, die nur eins bedeuten konnte. Ich warf Bart einen Blick zu, um zu sehen, ob er es schon bemerkt hatte, aber er war konzentriert mit einem Thermometer und einer Stoppuhr beschäftigt.
„Der Mörder hat sich die Zeit gelassen, ein Souvenir mitzunehmen. Denken Sie also dran, vor der Autopsie die komplette Hautoberfläche der Kleinen auf Abdrücke und andere Spuren zu untersuchen. Irgendeine Idee zu der Wunde an ihrem Hals?“ Oder vielleicht hätte ich lieber fragen sollen: Irgendeine andere Erklärung dafür außer der offensichtlichen Vermutung, dass hier ein Werwolf am Werk war? Der moschusartige Geruch an der Leiche wies auf die Panik einer in die Falle geratenen Werwölfin hin. Möglicherweise war sie in die falsche Straße eingebogen und dann von einem verfeindeten Rudel überfallen worden.
Kronen kicherte so sehr, dass seine Pausbacken Falten warfen. „Wenn das hier vor den Hex Riots passiert wäre, hätte ich jetzt gesagt, dass wir es mit einem gesetzlosen Werwolf zu tun haben, der schnellstens erlegt werden muss. Aber wie die Dinge jetzt stehen …“ Er zuckte mit den Schultern und begann, kleine Beweistütchen mit DNA-Wattestäbchen einzupacken. Anscheinend hatte
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