Ler-Trilogie 03 - Stunde der Klesh
Für mich bleibt hier noch sehr viel zu tun …“
Auch Flerdistar kam zu ihm. Ihre Stimme klang sehr verwirrt: „Etwas ist mit dir geschehen – und mit uns …“
Ihn befiel eine Erschöpfung, gegen die er sich kaum noch wehren konnte. Er antwortete: „Ja, mit uns allen …“
„Wer bist du? Cretus oder Meure Schasny?“
„Beide und keiner von beiden.“
„Wie sollen wir dich nennen?“
„Wie ihr wollt – oder nach meinen Taten.“
„Was willst du tun?“
„Ich will den Weg finden helfen, den wir verloren haben. Ich habe eine Botschaft für jene, die mir zuhören wollen. Einige werden mir sicher zuhören.“
„Ich weiß nicht, wie man eine solche Person nennt.“
„Es ist auch gleichgültig. Nenne mich Cretus, damit ein Teil von dem erhalten bleibt, was einmal war. Aber vergiß nicht, daß der andere Teil genauso wichtig ist.“
„Du willst also auf Monsalvat bleiben?“
„Ja, das werde ich. Hier läßt sich ein besserer Anfang finden als irgendwo sonst. Auch wird jeder, der es will, hierherkommen können. Der stürmische Raum um Monsalvat ist zur Ruhe gekommen. Die verhängnisvollen Orakel wird es nicht mehr geben. Endlich wird diese Welt ihrem Namen gerecht werden: Monsalvat – Mountain of Salvation – Berg des Heils. Der Name, den wir einst erdacht haben, ‚Ort, wo man die Fremden begräbt’, wird nicht mehr gelten.“
Flerdistar schnaubte verächtlich: „Heil! Welches Heil meinst du? Wovor willst du Monsalvat bewahren?“
„Vor seinen schlimmsten Feinden, vor dir und mir, vor uns. Ich werde mein Volk führen, und ich werde ihm den Weg zu einem wahren Menschentum weisen.“
„Verfügst du über eine solche Macht, daß du dies Wagnis unternehmen kannst?“
„Ich habe viel von dem eingebüßt, was du Macht nennen würdest. Und doch habe ich etwas hinzugewonnen. Ich bin einzigartig geworden.“
„Einzigartig als Doppelexistenz?“
„Das war ich. Jetzt bin ich eine Einheit.“
„Dann wird also auf Monsalvat wieder der Marschtritt von Cretus’ Armeen zu hören sein?“
„Nein, so wird es nie wieder sein. Das Neue darf nicht durch Zwang entstehen. Es muß aus sich heraus wachsen, unter der sorgsamen Obhut eines Gärtners.“
„Ich verstehe, was du mit diesem Bild beschreiben willst: Der Gärtner bewässert den Boden und düngt ihn, aber er schneidet auch die wilden Triebe ab und verbrennt sie, jätet das Unkraut.“
„Genau das habe ich vor. Aber mit der Zeit werden alle dieses Handwerk erlernen. Wir brauchen keine Herren. Unser Weg liegt deutlich vor uns, aber wir fürchten uns noch, ihn zu betreten, weil er so gerade und einfach ist.“
Zynisch sagte sie: „Ein Jahrtausend wird es wohl dauern, nicht wahr?“
„Weder du noch ich werden es erleben. Die Geschichtsforscher der Zukunft werden feststellen, welche Veränderungen dieser Tag eingeleitet hat.“
Sie sagte: „Ich habe schon vorher gespürt, daß etwas Neues im Entstehen war. Kann es denn möglich sein, daß es so einfach zu beschreiben ist?“
Er dachte wieder an seine Verbindung mit der Wesenheit und mit dem Massenbewußtsein der Vfzyekhr. Er dachte auch an die fernen, fremden Lichter, die er gesehen hatte, und von denen noch niemand etwas ahnte. Doch vor ihnen lag eine Zukunft, in der die Menschen auch auf sie vorbereitet sein mußten … „Einfach?“ sagte er endlich, „ja, so einfach wie der Rhythmus einer Musik. Er schafft den Mittelweg zwischen ungeordnetem Lärm und pedantischem Formalismus. Und das Sonderbare dabei ist, daß er zu seinem größten Teil durch Zufall entsteht.“
„Durch Zufall?“
„Es ist so einfach, daß mir die Worte fehlen, um es deutlich zu machen. Es handelt sich um Willkür, um Zufall, und doch steht es in einem logischen Zusammenhang, der das All seit seinem Anfang beherrscht. Aus diesem Planetensystem hier, mit seinem Doppelstern, können wir viel über das Wesen der Dinge ablesen: Auf der untersten Wahrnehmungsstufe scheinen alle Dinge eine zweifache Existenz zu besitzen. Zufall und Vorherbestimmung sind zu gleicher Zeit Herren über das Universum. Doch in Wirklichkeit gibt es diese Zweiheit gar nicht. Sie entsteht nur durch die Beschränkungen unserer Wahrnehmungsfähigkeit.“
„Du drückst dich noch rätselhafter aus als das Orakel. Das Orakel ist gar nicht verschwunden, es hat nur seinen Herrn gewechselt.“
„Es gab hier nie ein wirkliches Orakel, und es gibt auch jetzt keines. Hast du denn nicht begriffen, was du hier erlebt hast? Hast du nicht
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