Lesereise Abu Dhabi
dürften die Realität ganz gut treffen. Auch hier gilt die Botschaft zwar den Ausländern – aber diesmal zugleich den Nachbarn in Dubai. Denn was dort Burj al-Arab ist, das sollte hier Emirates Palace sein, ohne dass dabei das direkte und zu deutliche Kräftemessen auf dem Feld der modernen Architektur gesucht würde. Die Botschaft lautet eher: Baut ihr nur, aber wir können es goldener, nach außen distinguierter. Und am Ende doch viel teurer.
Das Ringen um den schönen Schein mit der Signalfarbe Gold und das zur Schau gestellte Markenbewusstsein am Golf hat zwei Ursachen. Zum einen spielt Geld wirklich kaum eine Rolle. Warum also nicht das vermeintlich Beste, Teuerste, Schönste, Schnellste erstehen, wenn der persönliche Etat es sowieso hergibt? Wieso haushalten, wenn es keine Notwendigkeit dafür gibt? Zum anderen ist die Geringschätzung gerade durch die arabischen Brüder uralt, denn anders als die Wüstensöhne der Halbinsel können Ägypter, Jordanier, Marokkaner, Syrer, Libanesen auf jahrhunderte-, manchmal jahrtausendealte Hochkulturen verweisen, auf Pharaonen, auf Nabatäer, auf Omayaden, Almohaden, Almoraviden. Und immer haben sie auf die vermeintlich minderbemittelten Brüder aus dem Sand herabgeschaut. Bis plötzlich das Öl sprudelte.
Selbst bei Immobilienprojekten kann man die Herkunft des maßgeblichen Investors und die Zielgruppe an der Ausstattung erkennen. Wer als Emirati oder für Emiratis baut – selbst wenn er Wohntürme mit Hunderten Appartements hochzieht –, hat sich für die Miele-Küche, den Grohe-Wasserhahn, die Villeroy-&-Boch-Sanitärkeramik und den Hülsta-Wohnzimmerschrank entschieden. Weil nichts darunter in Frage kommt. Weil die gleichfalls einheimischen Käufer es so verlangen werden. Und weil jeder sehen soll, dass der Investor sie wertschätzt – und für all das souverän in Vorleistung gehen kann, noch ehe das erste Appartement verkauft ist.
Anders ist es seltsamerweise bei allem, was man nicht so genau sieht, was hinter Fliesen, Tapeten oder auch nur unter dem Estrich verschwindet. Da gilt in den Emiraten eher das Motto »schnell, schnell«. Die Bauqualität ist oft, gelinde gesagt, nicht sehr hoch. Manches ist wirklich vor allem Fassade.
Emiratis für sich einnehmen kann man unterdessen am besten, wenn man ihnen exakt auf Augenhöhe gegenübertritt: sie voll und ganz ernst nimmt und sich zugleich vom gönnerhaften Getue der ersten Momente und von allem wohl inszeniertem Hab und Gut nicht die Spur einschüchtern oder blenden lässt. Die meisten Einheimischen sind von der gespürten Begegnung unter Gleichen überrascht und dann doch erfreut. Denn plötzlich bekommen sie genau das, wonach sie sich immer gesehnt haben. Doch meistens läuft es anders: Der Ausländer will einen Job oder etwas verkaufen – und ist aufgeregt, platzt vor Ehrfurcht, gibt sich unterwürfig. Oder ist ein Großmaul. Ersteres ist langweilig und normal, das Zweite unangenehm und rüttelt nur unnötig am wackeligen Ego aus der Vergangenheit.
Shampoo-Exporteur Heinrich Wilms hat offenbar den richtigen Ton getroffen, sich gesprächsbereit gezeigt und zugleich mit seinem Produkt gepunktet: »Es hat Monate gedauert, bis die Flaschen dem Wunsch des Kunden entsprachen«, erinnert er sich in einem seiner Interviews zum neuen Kamelpflegemittel. Das wichtigere Problem war viel schneller gelöst: das Shampoo so zusammenzusetzen, dass man nur wenig Wasser braucht, um es wieder aus dem Fell des Kamels spülen zu können. Ein Vorteil in der Wüste, ein wichtiger Effekt, bedeutsamer als alle Gestaltungsfragen – aber leider völlig ohne Außenwirkung, ohne Imagewert. Und nicht am Verschluss zu erkennen.
Helge Sobik
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