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Lesereise Malediven

Lesereise Malediven

Titel: Lesereise Malediven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Bisping
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durch Dämme miteinander verbunden sind, verfügen über die mit siebzehn Kilometern längste Straße der Malediven. Hier strampeln wir nun umher, getrieben von dem Wunsch, statt Schwärmen bunter Doktorfische auf dem Riff einmal maledivisches Alltagsleben zu beobachten. Und tatsächlich zeugen die Bilder am Wegrand von einem friedlichen und auf beruhigende Weise ereignisarmen Leben: die Moschee mit den Grabsteinen davor, auf denen Muscheln liegen – einstmals Zahlungsmittel auf den Inseln und noch immer Symbol für Wohlstand und ehrendes Gedenken der Verstorbenen –; der freundlich grüßende Fischer, der seine Netze ausbessert; die Kinder, die am Ende einer Straße Fußball spielen; Männer, die im Schatten eines Mangobaums sitzen, Schach spielen und von den Fremden nur wissen wollen, ob sie aus Dänemark seien. Womöglich haben die Wellen, die die dänischen Karikaturen in der islamischen Welt schlugen, schließlich auch Feydhoo erreicht.
    Ein Stück weiter liegt ein kleiner Supermarkt an der Straße. »Closed for prayer«, steht auf einem Schild an der Tür. Ein Mann und ein spielendes Kind bewachen eine in leuchtendem Orange gestrichene Tankstelle. Der Mann lächelt. Nein, heute war noch niemand da.
    Allem Frieden zum Trotz muss man den Einblick in die Inselwelt auch ertragen können. Denn die Zeit sieht keinen Anlass, ausgerechnet hier stillzustehen, selbst wenn der leuchtend blaue Indische Ozean an die Palmenstrände rollt wie vermutlich immer schon. Eine unbewohnte Insel in Sichtweite soll bald erschlossen werden. Als Wohnort, nicht als Resort, zu erreichen über einen weiteren Damm. Wir schauen auf das Grün der Insel, gesäumt von weißem Sand, und wollen bedauern, dass die Straße dereinst auch dort hinführen soll. Aber wer hier lebt, träumt nicht von einsamen Tropeninseln. Nur die Alten fahren noch zum Fischen hinaus, erzählt ein Zwanzigjähriger. Und wer holt in zwanzig Jahren den Thunfisch aus dem Meer? Die Alten, so lautet die Antwort in klarster Logik. Junge Leute lieben das Addu-Atoll, weil man hier einem Vergnügen von universeller Anziehungskraft nachgehen kann: Autofahren.
    Hundert Autos gibt es auf den vier durch Dämme verbundenen Inseln. Das mag wenig sein, gemessen an dreißigtausend Einwohnern des Addu-Atolls. Für eine Straße, auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit streckenweise sechzig Stundenkilometer beträgt statt der sonst üblichen dreißig, ist es dennoch viel. Kürzlich habe es einen schweren Unfall gegeben, erzählt der Verkäufer an einem Stand, der uns für einen Dollar eine Kokosnuss aufschlägt. Vier Männer, alle Anfang zwanzig, saßen im Auto. Ein Schriftzug auf der Straße erinnert an den tödlich verunglückten Fahrer. Die drei Mitfahrer liegen noch im Krankenhaus im fernen Singapur.
    Seit einiger Zeit herrscht auf dieser Straße Helmpflicht für Mopedfahrer – ein reiches Betätigungsfeld für die örtlichen Polizisten, die in Ermangelung von Kriminalität ansonsten ein ruhiges Leben führen. Wer zum zweiten Mal ohne Helm erwischt wird, muss eine Strafe zahlen, die dem Kaufpreis eines Helmes entspricht. In den Nebenstraßen aus Sand fährt man weiter barhäuptig – oder mit Kopftuch.
    Aus üppigen Gärten wachsen Bananenstauden, Mangobäume und Kokospalmen. Die Häuschen liegen hinter niedrigen Mauern und sind in fröhlichen Farben gestrichen, ihre Bewohner sitzen in Hängestühlen und winken freundlich. Mittags duftet es aus den Häusern nach Fischcurry. Doch ist der westliche Lebensstil schnell und weit in diesen entlegenen Teil der Inselwelt vorgedrungen. Mohamed Inaan, der mit Eltern und fünf Geschwistern auf Maradhoo lebt, hat 1995 zum ersten Mal ein Telefon, im Jahr 2000 sein erstes Mobiltelefon gesehen. Heute besitze jeder in seiner Familie eines, erzählt der Dreiundzwanzigjährige – mit Ausnahme seiner zweijährigen Schwester. Auch ein Motorrad gehört zu beinahe jedem Haushalt. »Dial for Fish«, steht auf einem Schild, das für einen Lieferservice von Riff-Fisch und Thunfisch wirbt. Eine Boutique heißt »Classic wear«, der Kramladen »Bits and Pieces«, bei »Good Looks« sind die Schaufensterpuppen in Caprihosen und T-Shirts gewandet.
    Auf Maradhoo treffen wir Mousa Hassan. Seine würdige Erscheinung ist uns bereits vertraut: Der Dreiundsiebzigjährige bekleidet im Resort auf Villingili den exotischen Posten eines »Jetty Ambassador«. Als Bo(o)tschafter des Hauses begrüßt er Neuankömmlinge am Bootssteg mit freundlichem Lächeln, warmen

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