Lesereise Malediven
Wasser zu springen. Allerdings können nicht alle von ihnen notwendigerweise auch schwimmen. Es ist vorgekommen, dass Menschen auf diese Weise ihr Leben verloren. Weil die Klientel aus dem Reich der Mitte jedes Jahr in sechsstelligen Zahlen auf die Inseln reist, liegen in manchen Resorts in den Zimmern einschlägige Warnungen in der Landessprache aus. Aus ihnen geht hervor, dass die Fähigkeit des Schwimmens im Wasser sowohl zur Fortbewegung als auch zum Fortbestand der Existenz unabdingbar ist.
Auch andere Urlauber zeigen sich angstfrei: die Amerikanerin etwa, die alleine mit vier Kleinkindern auf der Resort-Insel zurückbleibt, während ihr Mann für die Woche zu dringenden Geschäften hinaus in die Welt eilt. »Bis Samstag!«, ruft er und springt mit leichtem Gepäck ins Wasserflugzeug. Viel leichter haben es da die jungen Paare, die außer ihrem Kind zu dessen Unterhaltung auch die eigenen Eltern dabei haben. Arabische Aristokraten und Magnaten reisen nicht selten in großen Familienverbänden auf die Malediven und mieten die Präsidentensuite mit knapp tausend Quadratmetern Innen- und Außenfläche oder doch wenigstens mehrere nebeneinander liegende Villen. Sie gelten als anspruchsvolle, aber unkomplizierte Gäste, die meistens kaum ihre Räume verlassen. Denn sie legen wenig Wert auf Wassersport und mieten aus Gründen der größeren persönlichen Unabhängigkeit und des größeren Komforts zur Villa auch gleich Koch und Butler. So entfallen mit dem lästigen Weg ins Restaurant auch mögliche neugierige Blicke anderer Gäste. Ein ähnliches Buchungsgebaren weisen auch Mitglieder europäischer Königshäuser auf – auch wenn die Entourage bei ihnen in der Regel nicht überwiegend aus Verwandten besteht.
Die Angehörigen dieser eher übersichtlichen Klientel eint ihre Scheu, erkannt oder auch nur beobachtet zu werden. Aus diesem Grund hüllt sich auch das Personal der Resorts für gewöhnlich in diskretes Schweigen, wenn es um besonders prominente Gäste geht. Ein ehrfürchtig geflüstertes »Der Herzog von York war hier!«, der Hinweis auf einen Fußballnationaltrainer aus Europa oder einen Filmstar aus Mumbai sind gelegentlich zu hören, Details hingegen nicht zu erfahren.
Ebenfalls unauffällig verhalten sich die Mitglieder des britischen Bürgertums. Seit Jahren schon zerteilt das Paar aus Südengland den Winter durch eine Maledivenreise vor und einen Skiurlaub in der Schweiz nach Weihnachten. Zum Fest selbst erfordern familiäre Verpflichtungen gegenüber vier Kindern und diversen Enkeln ihre Anwesenheit in der nasskalten Heimat. Sein mittelständisches Unternehmen, aus dem er sich unlängst zurückgezogen hat, erlaubt den beiden den Luxus der doppelten Winterflucht. Die erste Hälfte des Malediven-Urlaubs verbringen sie im Baa-, die zweite im Nord-Mal é -Atoll. Sie plaudern, sie gehen eine Runde schnorcheln, sie liegen vor ihrer Villa am Strand. Sie sind der lebende Beweis für die These, dass die wahrhaft goldenen Jahre erst im siebten Lebensjahrzehnt beginnen. In der benachbarten Villa verbringt ein Paar aus Frankreich einen Urlaub, der – nach der Tiefe ihrer Bräune zu urteilen – schon länger andauern muss. Die beiden gehören ebenfalls der Generation derer an, die es bereits geschafft haben. Sie können es sich leisten, nicht erreichbar zu sein. Das Frühstück lässt sich das Paar aus Marseille täglich auf der Terrasse servieren. Später am Vormittag, als sie bereits einmal ins glasklare Wasser der Lagune getaucht sind und ihr erstes Sonnenbad genommen haben, bestellen sie eine Flasche Champagner: Was soll der Geiz. Das Leben ist kurz, und so jung wie heute liegen wir nie wieder im Schatten einer Palme.
Die Glückscocktailmixer
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Die Pionierinzip
Shaima sitzt in der Lobby und lächelt vergnügt. Mit ihrer dunklen Brille und dem langen, leuchtend türkisfarbenen Rock könnte sie auch ein Gast des Resorts sein. Tatsächlich aber arbeitet sie hier, in der Reservierungsabteilung. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Doch die Vierundzwanzigjährige ist Malediverin, und die sind auf Resort-Inseln noch immer ein eher seltener Anblick. Zwar ist es heute normal, dass junge Frauen nach Mal é gehen, um einen Beruf zu erlernen. In der Regel aber lassen sie sich zur Krankenschwester oder Lehrerin ausbilden – Berufe, die die Rückkehr auf die Heimatinsel ermöglichen.
Keine von Shaimas Jugendfreundinnen arbeitet in einem
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