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Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Titel: Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bengel
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den Adelsstand erhoben. Noch im dritten Jahrhundert darauf nannte Prinzessin Victoria, Kind des Herzogs und der Herzogin von Kent, das muntere Städtchen »Dear Tunbridge Wells«, und schließlich gab ihm Edward VII. im Jahr 1909 den wahrhaft königlichen Namen »Royal Tunbridge Wells«, der seither alle alphabetischen Register durcheinanderbringt, da niemand sicher sein kann, unter welchem Buchstaben er zu suchen hat, »R« oder »T« – zumal es bloß die Stadt ist, die das königliche Beiwort trägt, nicht der borough , der Verwaltungsbezirk desselben Namens.
    Nur einmal hatte Tunbridge Wells mit seinen Royals weniger Fortüne: 1698 glitt der Duke of Gloucester, damals noch ein Knabe von zwei Jahren, auf dem unbefestigten Gelände aus und lag im Dreck. Das weckte den Unmut der Mutter, Prinzessin Anne, und sie gab hundert Pfund, die Wege zu planieren und zu plätten. Doch als sie wiederkam im nächsten Jahr, hatte sich noch immer nichts getan, und niemand sah sie jemals wieder in Tunbridge Wells, weder als Prinzessin noch als Königin. Dabei waren doch die Wege bald mit roten Pfannenziegeln, sogenannten pantiles , akkurat befestigt. 1793 wurden zwar die kleinen viereckigen Ziegel durch die großen grauen Steinplatten ersetzt, über die wir heute promenieren, aber bei dem Namen Pantiles für das Fußgängerdorado blieb es. Die letzten echten pantiles liegen jetzt im Stadtmuseum.
    Statt der Ulmen stehen heute Linden in den Pantiles, aber sonst ist noch alles beim Alten: »This place consists of a long walk, shaded by spreading trees, under which they walk while they are drinking the waters«, so hatte schon Anthony Hamilton, ein Autor aus dem 17. Jahrhundert, die Pantiles und die Kurgäste beschrieben. Alles ist noch da, als wäre er erst gestern hier gewesen: die Modeläden bei den Kolonnaden auf der einen Seite, der Fischmarkt auf der anderen; hier finden wir das Badehaus von 1804 mit einer Büste von Lord North, das nun die Quelle birgt, zu der noch immer ein paar Stufen abwärts führen, und so wie früher steht ein Mädchen in alter Tracht hier vor ihrer Dipper’s Hall und reicht das Wasser, wenn man will. Und das schmeckt immer noch nicht besser als 1907, als E. V. Lucas, der viel zitierte Wanderer der »Highways and Byways of Sussex«, es lakonisch goutierte: »If you like the taste of rusty horseshoes there is still the spring.«
    Ein paar Schritte weiter finden wir die alte Musick Gallery; heute steht hier bloß ein junger Bariton, ganz ohne jegliche Begleitung, der presst die Hände vor der Brust aneinander und singt so selbstversunken und berückend, dass alles stehen bleibt und lauscht und nach den Pennys in der Tasche gräbt.
    Es gab nur einen Ort, der Tunbridge Wells das Wasser hätte reichen können: das elegante Bath, das schon im Namen seinen Ruhm und Zweck bewies, das britische Spa, wenn man so will. Von dort kam 1735 Richard »Beau« Nash als Zeremonienmeister in die Pantiles und setzte Tunbridge Wells das letzte Glanzlicht auf: Jetzt zeigte er den happy few der englischen Gesellschaft, was er mit dem fremden Wort decorum meinte, was man tat und was man besser unterließ, wann der abendliche Ball begann (um achtzehn Uhr) und wann er unbedingt zu Ende war (um dreiundzwanzig Uhr). Heute führt er uns mit ausgesuchtesten Manieren durch sein Spielzeugreich von »A Day at the Wells«.
    Ob die Wirklichkeit so vornehm wirklich war, das sei dahingestellt. Daniel Defoe zumindest hatte 1724 noch zum Kurbetrieb bemerkt, er sei doch wenig systematisch: »Some drink, more do not, and few drink physically.« Zerstreuung und Gesellschaft waren wesentlicher als das Wasser und die gute Luft. Das Nichtstun boomte mehr als ein Jahrhundert lang in Tunbridge Wells. Decimus Burton vor allem, der große Architekt des 19. Jahrhunderts, überzog zuletzt die einstmals grünen Hügel mit den elegantesten Ensembles, die wir heute noch bewundern.
    Da gibt es die großen Hotels auf dem Mount Ephraim, allen voran bis heute das Spa und das malerische Royal Wells Inn am anderen Ende der Höhe; es gibt den schönen Promenadenhain The Grove und gleich daneben, hinter dem Calverley Hotel, in dem einst Queen Victoria logierte, den Calverley Park mit dem dorisch verkleideten Sandsteinportal der Victoria Lodge. Die halbkreisförmige Gebäudereihe Calverley Park Crescent ist mit ihren Säulen ganz bewusst den Pantiles nachempfunden, und hinter den blickdichten Hecken hoch über den Calverley Grounds liegen noch immer die Villen des

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