Letzte Ausfahrt Neckartal
nicht das eine oder andere wäre, das ihn ärgerte. Der Kratzer an der Fahrertür beispielsweise, oder dass der Wagen bald so viel Öl brauchte wie Benzin. Wenn er länger darüber nachdachte, wurde es immer mehr, was ihn an dem Auto ärgerte. Aus diesem Grund stritt er schon seit einem halben Jahr mit dem Verkäufer des Wagens herum. Aber Vanessa brauchte ja nicht zu wissen, dass der BMW mehr Probleme bereitete, als ihm lieb war.
Mehmet drückte im Stand ein paarmal das Gaspedal durch, drehte den Zündschlüssel, und der Motor erstarb. Hip-Hop wummerte aus den rückwärtigen Lautsprechern. Er wippte eine Weile mit dem Kopf im Takt der Musik und löste dabei den Gurt. Den linken Unterarm auf dem Lenkrad, warf er Vanessa das lässigste Lächeln zu, das er in seinem Repertoire finden konnte. »Voll krass der BMW . Hat Sportgetriebe, Sportkupplung und Sportstoßdämpfer. Alles Sport. Weisstu, wie isch mein?«
Vanessa antwortete nicht. Stattdessen blickte sie dauernd in den Rückspiegel.
»Is neu.« Mehmet fuhr sich über seinen schmalen Oberlippenbart. »So gut wie neu halt – nur zwei Jahr. Hundertachtzig PS und fahrt Spitze zweihundertfuffzig, ohn Scheiß.«
»Mann, hör auf, mich vollzutexten.«
»Wirklich, isch schwör.«
»Wo bleibt denn Viktor?«
Mehmet lief die Zeit davon. Falls er bei Vanessa noch landen wollte, musste er sich beeilen. Er drehte die Musik lauter und wippte wieder mit dem Kopf. »Geile Mucke – is voll fette Pioneer-Sound-System mit MP3 -Dingens«, schrie er.
»Mach leiser, Mann!«
Er drehte die Lautstärke wieder zurück. Wenn es weiter so schlecht für ihn lief, hatte sich kaum der Sprit für die Fahrt hierher gelohnt. Und an den Ölverbrauch wollte er schon gar nicht denken. »Willstu mal schauen, wie leicht Gangschaltung bei meine BMW geht?«
Vanessa schüttelte den Kopf.
»Hey, Schnecke, warum machstu nix los?« Er drückte auf den Knopf neben dem Sitz, und der Gurt rollte sich auf. Mehmet beugte sich nach vorne und legte vorsichtig seine Hand auf Vanessas Schenkel.
»He, lass den Scheiß!« Schnell schob sie seine Hand weg.
»Warum? Was los, Schnecke?«
»Ich bin nicht deine Schnecke. Und lass die Finger von mir, du Loser.«
Durch die Heckscheibe drang Scheinwerferlicht, das rasch heller wurde und den gesamten Innenraum in gleißendes Licht tauchte. Mehmet kam nicht mehr dazu, einen weiteren Versuch bei Vanessa zu starten. Viktor brachte seinen Wagen direkt hinter dem BMW zum Stehen. Er ließ den Motor des Golf GTI ein paarmal aufheulen und betätigte unentwegt die Lichthupe.
»Also los, er ist da. Fahr mich jetzt wieder zurück«, sagte Vanessa scharf.
»Nix mehr Party machen?«
»Du bist so was von unterirdisch.« Vanessa schüttelte den Kopf und tippte sich an die Stirn. Ihr Blick wanderte nach draußen in den feinen Nieselregen.
Mehmets Chancen waren auf null gesunken. Widerwillig drehte er den Zündschlüssel um. Der Anlasser reagierte nicht. Auch nach dem zweiten und dritten Versuch machte der Wagen keine Anstalten zu starten.
»Wie lange dauert das noch?« Vanessas Geduld schien am Ende.
»Will net mehr.«
»Was?«
»Auto startet net.«
Vanessas Kopf fuhr herum. »Du willst mich wohl verarschen, du blöder Hacker.«
»Nein, ohn Scheiß.«
»Zuerst fummelst du an mir rum, und jetzt machst du auf kaputtes Auto. Für wie doof hältst du mich eigentlich?«
»Kann nix für.«
»Die Scheißkarre kannst du in die Tonne treten.«
»Is keine Scheißkarre.«
»Ach ja – was dann?«
» BMW drei achtzehn i.«
»Ach, verpiss dich doch. Ich fahr bei Viktor mit.« Vanessa stieg aus und schlug die Fahrzeugtür derart stark zu, dass die Karosserie ein paarmal in den Federn hin und her wankte.
»Ja, mach dich vom Acker, du blöde Tuss, du Nullchecke«, fluchte Mehmet vor sich hin und versuchte weiterhin, den Wagen zu starten. Doch bei jedem Versuch setzte die Musik aus, und das Licht im Innenraum wurde schwächer, bis es schließlich ganz erstarb. Die Batterie hatte ihren Dienst quittiert.
Hinter ihm stieg Vanessa in den roten Golf. Im nächsten Moment fuhr Viktor mit den beiden Frauen los. Mehmet wollte nach seinem Mobiltelefon in der Mittelkonsole greifen, doch in der Bewegung fiel ihm ein, dass Vodafone den Vertrag gekündigt hatte und er seit Tagen nicht mehr telefonieren konnte.
Jetzt blieb nur noch, einen anderen Autofahrer um Starthilfe zu bitten. Allerdings besaß er kein Überbrückungskabel. Auch würde es schwierig werden, überhaupt einen geeigneten
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