Letzte Worte
einbrachten, aber Lena war lange genug bei der Truppe, um zu wissen, dass es einen Unterschied gab zwischen einer Beförderung auf dem Papier und einer Beförderung auf der Straße. Sie konnte nur hoffen, dass in einer Kleinstadt wie Heartsdale Brads Mangel an Straßenschläue nichts zur Sache tat. Berichte schreiben und Zeugen befragen beherrschte er sehr gut, aber auch nach zehn Jahren am Steuer eines Streifenwagens sah er in den Menschen immer noch eher das Gute als das Schlechte.
Lena hatte im Job gerade mal eine Woche gebraucht, um zu erkennen, dass es so etwas wie einen durch und durch guten Menschen nicht gab.
Sie selbst eingeschlossen.
Doch sie wollte jetzt keine Zeit mit Gedanken über Brad verschwenden. Sie betrachtete die Fotos in Allison Spooners Brieftasche, während Frank durch den Wald fuhr. Es gab eine Aufnahme von einer orangefarben gescheckten Katze, die in einem Streifen Sonnenlicht lag, und einen Schnappschuss von Allison und einer Frau, ihrer Mutter, wie Lena vermutete. Das dritte Foto zeigte Allison auf einer Parkbank. Rechts von ihr saß ein Mann, der ein paar Jahre jünger wirkte als sie. Er trug eine tief in die Stirn gezogene Baseballkappe und hatte die Hände tief in den Taschen seiner weiten Hose. Links von Allison saß eine ältere Frau mit strähnigen blonden Haaren und zu viel Make-up im Gesicht. Ihre Jeans waren hauteng. Die Augen strahlten Härte aus. Sie mochte dreißig oder dreihundert Jahre alt sein. Alle drei saßen dicht beisammen. Der Junge hatte Allison Spooner den Arm um die Schultern gelegt.
Lena zeigte Frank das Foto. Er fragte: » Familie? «
Sie betrachtete das Foto und konzentrierte sich dabei auf den Hintergrund. » Sieht aus, als wäre das Foto auf dem Campus aufgenommen worden. « Sie zeigte es Frank. » Siehst du das Gebäude dahinten? Ich glaube, das ist das Studentenzentrum. «
» Für mich sieht die Frau nicht aus wie eine Collegestudentin. «
Er meinte die ältere Blonde. » Sieht aus wie eine von hier. « Sie hatte das unmissverständlich billige, blond gebleichte Aussehen eines in der Kleinstadt aufgewachsenen Mädchens. Von der nachgemachten Brieftasche einmal abgesehen wirkte Allison, als befände sie sich auf der gesellschaftlichen Leiter einige Stufen weiter oben. Es passte irgendwie nicht, dass die beiden Freundinnen sein sollten. » Vielleicht hatte Spooner ein Drogenproblem? « , vermutete Lena. Nichts überwand Grenzen so einfach wie Methamphetamin.
Schließlich waren sie wieder auf der Hauptstraße. Die Hinterräder drehten ein letztes Mal im Schlamm durch, als Frank auf den Asphalt fuhr. » Wer hat den Fund eigentlich gemeldet? «
Lena schüttelte den Kopf. » Der 911er-Anruf kam von einem Handy. Die Nummer war unterdrückt. Weibliche Stimme, aber sie wollte ihren Namen nicht nennen. «
» Was hat sie gesagt? «
Lena blätterte behutsam in ihrem Notizbuch, damit die feuchten Seiten nicht zerrissen. Sie fand die Mitschrift und las sie laut vor. » Weibliche Stimme: ›Meine Freundin ist seit heute Nachmittag verschwunden. Ich glaube, sie hat sich umgebracht.‹ Notrufbeamter: ›Wie kommen Sie darauf, dass sie sich umgebracht haben könnte?‹ Weibliche Stimme: ›Sie hatte letzte Nacht Streit mit ihrem Freund. Sie sagte, sie würde am Lover’s Point ins Wasser gehen.‹ Der Beamte versuchte, sie in der Leitung zu halten, aber sie legte danach auf. «
Frank sagte nichts. Sie sah seinen Kehlkopf arbeiten. Er ließ die Schultern so tief hängen, dass er aussah wie ein Kleinkrimineller, der sich am Lenkrad festklammerte. Seit Lena in sein Auto gestiegen war, wehrte er sich gegen die Möglichkeit, dass es sich hier um Mord handeln könnte.
» Was denkst du? «, fragte sie.
» Lover’s Point « , wiederholte Frank. » Nur jemand aus der Stadt würde es so nennen. «
Lena hielt das Notizbuch vor die Lüftungsschlitze der Heizung, um die Seiten zu trocknen. » Der Freund ist wahrscheinlich der Junge auf dem Foto. «
Frank ging auf ihren Gedankengang nicht ein. » Da kam also der 911er-Anruf, und Brad ist zum See gefahren und hat was gefunden? «
» Der Zettel lag unter dem rechten Schuh. Allisons Ring und die Armbanduhr steckten in den Schuhen. « Lena bückte sich wieder zu den Beweismitteltüten, die tief in den Taschen ihres Parkas steckten. Sie durchwühlte die Habseligkeiten des Opfers und fand den Zettel, den sie Frank zeigte.
ICH WILL ES VORBEI HABEN .
Er starrte die Schrift so lange an, dass sie sich Gedanken machte, weil er nicht
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