Level 6 - Unsterbliche Liebe
sagte, ich vermute es.“ Der fast achtzehn Jahre alte Mörder grinste mich wieder an. „Versuch, dich ein bisschen zu konzentrieren, okay?“
Ich biss die Zähne zusammen. „Ich mag dich nicht.“
„Mir bricht das Herz. Also, kannst du jetzt ein liebes Mädchen sein und mir den Schlüssel zuwerfen, damit ich meine Theorie überprüfen kann?“
„Leck mich.“
Er zuckte die Achseln und verzog das Gesicht, als würde die Wunde an seiner Schulter ihm schlimme Schmerzen bereiten. „Das können wir auch machen, wenn du Lust dazu hast, allerdings müsste ich zuerst die Handschellen loswerden. Selbstverständlich können wir die Ketten anschließend mitnehmen, wenn du auf so etwas stehst.“
Ich warf ihm den Blick zu, den ich Jungs, die mich anmachen wollten, immer zuwarf. Den Losern und Freaks, die Sex für einen Wettbewerb hielten und mich ins Bett kriegen wollten. In den Kreisen, in denen ich mich seit Neuestem bewegte, waren solche Typen eher die Norm als die Ausnahme. Die guten Jungs schienen die Stadt schon vor langer Zeit verlassen zu haben. Und was soll ich sagen? Mit einigen von ihnen hatte ich, so gut ich konnte, gespielt. Mir war bewusst, dass ich nicht hässlich war. Und obwohl ich schon länger auf der Straße lebte, als mir lieb war, hatte ich eine gute Figur und anscheinend ein Gesicht, das Jungs – und Männer – attraktiv fanden. Ich flirtete mit ihnen und dann nahm ich ihnen in einem unbeobachteten Moment die Brieftasche ab. Na und? Sollte man mich doch verklagen. Keiner von ihnen war mir jedoch näher gekommen.
Dieser Junge hatte, soweit ich es einschätzen konnte, kein Portemonnaie. Er hatte nichts, das ich wollte. Nichts bis auf diesen Schlüssel.
Ich verlagerte mein Gewicht und setzte mich etwas verführerischer hin. Brust raus. Bauch rein. Ich zog eine Augenbraue hoch und zwang mich zu einem Lächeln. „Warum wirfst du mir nicht zuerst deinen Schlüssel zu?“
Nicht zu viel. Sei nicht zu offensichtlich, okay?
Er musterte mich. Ich gab ihm noch immer nicht das, was er wollte, aber meine Haltung wirkte viel … freundlicher. Ich meine, der Typ war in einer Jugendstrafanstalt gewesen, von der ich gehört hatte, dass sie schlimmer war als alles, was ich mir vorstellen konnte. Und bei seiner Akte war er sicherlich nicht in einem gemischten Block gewesen. Bestimmt war er inzwischen sexuell total ausgehungert, oder? Das konnte ich mir zunutze machen. Er sollte Wachs in meinen Händen sein.
Schmutziges, mörderisches Wachs. Mit schönen Augen und – ich hasste es, das eingestehen zu müssen – einem sexy Lächeln. Gelinde gesagt, eine ungewöhnliche Kombination.
Er leckte sich über die Lippen. „Oh, du bist gut. Wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass mir jeden Moment der Arm abfallen könnte, hättest du mich gehabt. Doch der Schmerz hilft mir, mich zu konzentrieren. Dein Schlüssel. Wirf ihn mir her. Dann schmeiße ich dir meinen rüber.“
Mein falsches Lächeln erstarb. „Und wenn ich dir meinen Schlüssel zuwerfe, wie kann ich mir sicher sein, dass du mir deinen geben wirst?“
„Du wirst mir schon vertrauen müssen.“
„Nenn mir einen guten Grund, warum ich das tun sollte.“
Er starrte mich an und stieß dann ein knappes, freudloses Lachen aus. „Mir fällt nichts ein.“
„Dann haben wir beide Pech, fürchte ich.“
„Glaube ich auch.“ Gequält lächelte er. Dann schloss er die Augen, und Schmerz überschattete seine Züge.
Verdammt. Ich wollte kein Mitgefühl für diesen Kerl empfinden. Er war ein Mörder – genau wie der Mistkerl, der meine Familie auf dem Gewissen hatte. Allerdings, wenn das Blut ein Hinweis war, war er ernsthaft verletzt.
Wie konnte ich mir anderseits so sicher sein? Vielleicht war es nur ein Trick. Möglicherweise tat er nur so, als wäre er verwundet. Immerhin war die Kamera eben wie aus dem Nichts erschienen. Was hatte er gerade noch gesagt? Showtime?
Die Kamera surrte wieder, da sie die Richtung änderte, um Rogan zu filmen.
Mühsam öffnete er die Augen und schaute hinauf zur Kamera.
Und dann zeigte er ihr den Mittelfinger.
Plötzlich fingen die Lichter an, wild zu blitzen und zu zucken, und ein Alarmsignal heulte so laut auf, dass ich mir instinktiv die Ohren zuhielt.
„Was ist los?“, schrie ich.
Rogans Blick huschte durch den Raum.
Und dann hörte ich noch etwas anderes. Eine metallische computergenerierte Stimme, die von überall herzukommen schien.
„ Sechzig “, verkündete sie. „ Neunundfünfzig …
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