043 - Die Mordkrallen
Coco Zamis hörte die lauten Stimmen und blieb stehen. Ihr Gesicht war leer. Der Blick der grünen Augen schien nach innen gerichtet zu sein. In letzter Zeit hatte sie viel gegrübelt, nach einem Ausweg aus ihrer Situation gesucht, viele Möglichkeiten durchdacht und alle wieder verworfen. Im Augenblick blieb ihr keine andere Wahl: Sie musste ihren Weg an Olivaros Seite weitergehen.
Alles deutete darauf hin, dass es zu einem Kampf innerhalb der Schwarzen Familie kommen würde, zu einer Auseinandersetzung, die das Gefüge der Familie zerstören konnte. Sie wusste, dass Olivaro nicht bereit war nachzugeben; er wollte handeln.
Sie öffnete die Tür, die in den prunkvoll ausgestatteten Raum führte. Coco war sich durchaus ihrer Wirkung auf Männer bewusst – und Dämonen machten dabei kaum eine Ausnahme. Das pechschwarze Haar hatte sie im Nacken aufgesteckt; es betonte die außergewöhnliche Anziehungskraft ihres schmalen Gesichts mit den hohen Wangenknochen. Ihr Körper wurde von einem weißen, fließenden, hauchdünnen Kleid umhüllt, das ihre Figur einen Augenblick verhüllte und im nächsten Moment aufregende Einblicke bot. Sie achtete nicht auf die Blicke der Führer der sieben mächtigen Dämonenfamilien, die sich hier um Olivaro versammelt hatten. Die meisten der Anwesenden kannte sie schon seit einiger Zeit, doch zwei Gesichter waren ihr unbekannt.
Sie setzte sich neben Olivaro, der sie rasch musterte. Er ließ sich von Cocos Auftauchen nicht aus dem Konzept bringen. Seine Stimme klang kühl und gelassen, als er weitersprach.
»Der erste Teil meines Plans ist aufgegangen. Ich werde der ganzen Familie zeigen, wie mächtig ich bin. Die ganze Welt werde ich in einen wahren Satansrausch stürzen und so meine Macht festigen.«
Coco hörte gelangweilt zu. Sie kannte Olivaros Pläne; oft genug hatte er in den vergangenen Tagen darüber gesprochen. Die anwesenden Familienoberhäupter hatten sich bedingungslos auf Olivaros Seite gestellt und akzeptierten ihn als neuen Führer der Schwarzen Familie, aber nicht alle Sippen dachten so. Einige verhielten sich neutral, und es gab auch Clans, die sich offen gegen Olivaro gestellt hatten.
Coco hörte erst genauer zu, als sich Domingo Marcial, dessen Dämonenname Astaroth war, vorbeugte.
»Und was ist mit Hunter?«
Olivaro lächelte. »Eine gute Frage. Aber für Hunter habe ich schon gesorgt. Er wird keine Gefahr mehr für uns sein.«
»Und wie wollen Sie das anstellen?«, fragte ein hohlwangiger alter Mann.
»Darüber will ich im Augenblick nicht sprechen«, sagte Olivaro abweisend. »Aber Sie können mir glauben, der Plan ist so simpel und einfach, dass er Erfolg haben wird. Ich werde Ihnen in einigen Tagen mehr davon erzählen.«
Er hob die Versammlung auf, und die Dämonen verließen den Raum.
Als Coco nur noch mit Olivaro im Zimmer war, wandte sie sich an ihn. »Was hast du mit Dorian vor?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, dann muss ich sagen, dass der Plan zur Ausschaltung Hunters nicht von mir stammt. Ich habe eine von Asmodis Ideen aufgegriffen.«
»Du hast mir versprochen, dass Dorian kein Haar gekrümmt wird«, sagte Coco scharf.
Olivaro grinste. »Ich halte mein Versprechen.«
»Erzähle von deinem Plan!«, bat sie.
Olivaro schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nur so viel sagen, dass Hunter dabei nichts geschehen wird, und doch wird er nicht in der Lage sein, etwas gegen mich zu unternehmen.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Coco schwach.
Olivaro musterte sie spöttisch. »Lassen wir das Thema Dorian Hunter beiseite«, meinte er und stand langsam auf. »Du widersetzt dich noch immer dem Initiationsritus, der zu deiner Aufnahme in die Schwarze Familie nötig ist.«
»Es ist noch zu früh. Hunter ist noch immer eine Gefahr. Ich trete erst wieder der Schwarzen Familie bei, wenn er ausgeschaltet ist.«
»Manchmal habe ich den Eindruck, dass du mir ausweichst«, sagte Olivaro nachdenklich. »Hunter wird bald neutralisiert sein. Er hat keine Chance. Der Plan ist perfekt.«
Coco sprang auf. Sie versuchte sich nichts von ihrer Erregung anmerken zu lassen. »Sag mir, was du mit Dorian vorhast! Traust du mir nicht?«
Olivaro gab keine Antwort. »Ich muss mich um meine Gäste kümmern.« Er verließ das Zimmer.
Coco sah ihm nach. Sie hatte immer noch keinen Anhaltspunkt, was für eine Teufelei er ausgeheckt hatte.
Langsam schlenderte sie aus dem Zimmer und verließ das Haus. Nach wenigen Schritten hatte sie den Strand erreicht. Es war ein windstiller
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