Level X
ob es eine Reaktion auf die Furcht war oder ob ich einfach keine Kraft m ehr h a tt e. Ich w ar b i s h i er her gekommen, nun nah m e n die Dinge ihren Lauf, und ich hatte keine Kontrolle mehr darüber. Ich spürte, wie ich in den Hintergrund des Geschehens gedrängt wurde, als wäre ich nicht länger vollständig da.
Ein paar Wagen vor uns kam der blassgrüne Citroen in Sicht. Er befand sich noch immer auf der linken Spur, verlor nun allerdings an Geschwindigkeit, als der Anstieg steiler wurde. »Da ist sie!«, rief ich und deutete nach vorne.
Er hatte sie bereits gesehen, betätigte wie wild die Hupe und ließ die Gänge krachen, w ä hrend er versuchte, sich zwischen den beiden Fahrspuren einen W eg zu bahnen – was ihm nicht gelang. Ich schrie erschrocken auf, als er das Steuer heru m riss, zurück auf die linke Spur fuhr und einen alten, verbeulten Chevy so heftig zum Br e m sen zwang, dass es zu einem Auffahrunfall ka m .
Plötzlich schossen wir in der Mitte des Highways den Berg hinauf, gegen den Strom des rasenden Gegenverkehrs, genau über die M ittellinie, die die beiden Fahrbahnen voneinander trenn t e, vor uns eine lange, unübersichtliche Kurve.
Ich sc h rie a u f . »Um Gottes w i llen, pass auf! G enau hier passiert es …«
Und dann, gerade als wir auf einer Höhe m it Annes Auto waren, sah ich ihn: den Tru c k, der sie das Leben kosten würde. Er fuhr schnell, zu s c hnell, der Fahrer schien ihn aber noch unter Kontrolle zu haben. Einen Augenblick lang dac h te ich, dass v i e ll e icht gar nichts passieren würde, hoffte, dass wir alle m it heiler Haut davonkom m en würden.
Doch dann scherte der Tru c k ohne ersichtlichen Grund in unsere Richtung aus. W i e in einer schrecklichen Zeitlu p e schwenkte der Au f lieger zur Seite und nach vorne, begann der Truck wie ein Taschen m esser zusam m en z uklappen.
Dann k a m der Aufprall!
Ich spürte, wie ich durch die Luft geschleudert wurde, und alles wurde dunkel.
Als ich wieder zu m i r k a m , lag ich auf d e m Seitenstreifen, und je m and schob etwas W eiches unter m einen Kopf. Ich blickte m i ch u m .
Polizei oder Krankenwagen waren nicht zu sehen, aber der Verkehr war in beiden Richtungen zum Erliegen gekommen, und die Leute stiegen aus ihren Fahrzeugen, um zu sehen, was passiert war. O ffenbar war ich nur wenige Sekunden bewusstlos gewesen.
Ich konnte Anne nirgendwo entdecken. Ich wusste nicht, ob sie und Charlie dem Unfall entgangen oder ob wir alle zusam m en darin verwickelt waren: der T ruck, m ein Mustang und ihr Citroen. Genauso gut hätte m ein Eingreifen alles nur noch schli mm er m ach e n und auch noch Charlies Tod verursacht haben können.
Und dann s ah ich sie. Anne trug Charlie auf den A r m en und drängte sich durch die Menge in m eine Richtung. Sie wirkte geschockt, als hätte sie alles genau m itbekommen und sei sich nun siche r , ich wäre tot.
Aber dann sah sie, dass ich die Augen geöffnet hatte und zu ihr hinüberblickte. Ich sah sie einen lauten Seufzer der Erleichterung ausstoßen. Zwar konnte ich ihn nicht hören, aber ich wusste, wie er klang. Das war Anne. M e ine Anne! Ich kannte den Laut, der sich ihren Lippen entrang, wenn sie sich auf diese Art und W eise bewegten.
Sie lief zu mir her, Charlie noch immer fest im Arm, und kniete sich neben m i ch. »Rick, Liebling! Bist du in Ordnung ? «
»Ich bin okay«, sagte ich. Ich konnte m einen Hals bewegen. Und m einen Kopf. Ich b ewegte d i e Beine ein bisschen. Nein, geläh m t war ich nicht.
»Bleib liegen, und beweg dich nicht! Ein Krankenwagen ist schon unterwegs. Oh, Rick, was zum Teufel hast du da ge m acht …?«
Sie hatte Charlie losgel a ssen und betupfte m it einem Taschentuch eine Schnittwunde an m ein e m Kopf. Charlie klam m erte sich an sie, stu mm , die Augen weit aufgerissen vor Furcht und Unverständnis.
»Es ist alles in Ordnung, Charlie. Hab keine Angst«, versuchte ich ihn zu beruhigen.
In m ein e m Hinterkopf begann m i ch jedoch eine schrec k lic h e Frage zu q u älen wie ei n e schlim m e Migräne.
W o war Charli e s a nderer Vater? Annes anderer Ehe m ann?
War er noch im m er i m Auto? Begraben im W r a ck? War er tot? Oder lebte er noch?
Hatte ihn noch nie m and gefunden?
Und wenn sie ihn finden würden, was würde dann geschehe n ? W as sollte ich dann sa g en?
Von d e m Mo m ent an, als ich m it m e inem Dopp e lgänger- Zwilling im W aschraum gestanden hatte, h a tte ich n i e weiter als bis zu dem Zeitpunkt des Unfalls
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