Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)
Whisky getrunken hatte. Dann öffnete er die Tür seines Wohnlochs und aß das Abendessen, während er zu dem Verkehr hinausblickte, der in einer sanften Kurve vorbeiströmte. Die zweite Schicht war zu den Bahnstationen unterwegs oder verließ sie gerade. Die Kinder, die zwei Löcher weiter lebten – ein achtjähriges Mädchen und ihr vierjähriger Bruder –, empfingen mit quietschenden Umarmungen, wechselseitigen Vorwürfen und Tränen ihren Vater. Oben erstrahlte die blaue Decke, unveränderlich, statisch, beruhigend. Ein Spatz flatterte durch den Tunnel und schwebte auf der Stelle, wie er es auf der Erde nie vermocht hätte; das hatte Havelock ihm erklärt. Miller warf ihm eine falsche Bohne zu.
Er wollte über das Mao-Mädchen nachdenken, aber im Grunde war es ihm egal. In den Familien, die auf Ceres das organisierte Verbrechen in der Hand hatten, ging etwas vor, und das machte ihn schrecklich nervös.
Die Sache mit Julie Mao war ein Nebenschauplatz.
3 Holden
Nach fast zwei Tagen unter starkem Bremsschub taten Holden die Knie und der Hals weh. Und der Kopf. Teufel, die Füße auch. Er stieg gerade durch die Luke in die Mannschaftsquartiere der Knight , als Naomi aus dem Frachtraum heraufgeklettert kam. Sie zeigte ihm lächelnd den hochgestreckten Daumen.
»Der Bergungsmech ist verzurrt«, meldete sie. »Der Reaktor läuft hoch. Wir können fliegen.«
»Gut.«
»Haben wir schon einen Piloten?«, wollte sie wissen.
»Dem Schichtplan nach ist heute Alex Kamal dran, also ist er unser Mann. Ich wünschte, Valka wäre an der Reihe gewesen. Er ist kein so guter Pilot wie Alex, aber er ist ruhiger, und mir tut der Kopf weh.«
»Ich mag Alex, er ist so herrlich burlesk«, sagte Naomi.
»Ich weiß nicht, was burlesk heißt, aber wenn das bedeutet, dass er einfach nur Alex ist, dann ermüdet es mich.«
Holden kletterte die Leiter zur Operationszentrale und zum Cockpit hinauf. In der spiegelnden schwarzen Fläche einer Anzeigentafel in der Wand sah er Naomis Spiegelbild hinter sich grinsen. Er verstand nicht, wie die Gürtler, die so dünn wie Bleistifte waren, nach hohen G-Belastungen so schnell wieder auf die Beine kamen. Vermutlich lag es an Jahrzehnten der Übung und der genetischen Auswahl.
In der Zentrale schnallte Holden sich vor dem Kommandopult an. Die Beschleunigungsliege passte sich lautlos seiner Körperform an. Bei dem halben G, das Ade für den Endanflug vorgesehen hatte, fühlte sich der Schaumstoff gut an. Holden stöhnte erleichtert. Die Schalter, die aus Plastik und Metall bestanden und dazu ausgelegt waren, hohe G-Belastungen und Jahrhunderte der Benutzung zu überstehen, klickten laut. Die Knight reagierte mit einer Reihe aufflammender Diagnoselampen und einem fast unmerklichen Summen.
Ein paar Minuten später erschien Alex Kamals schütteres schwarzes Haar im Zugang, dann folgte das fröhliche runde Gesicht, nach vielen Jahren der Arbeit im Weltraum unwiderruflich dunkelbraun verfärbt. Alex war auf dem Mars aufgewachsen und daher etwas stämmiger als ein Gürtler. Im Vergleich zu Holden war er immer noch sehr schlank, trotzdem spannte sich der Raumanzug straff über dem Bauchansatz. Alex war für die marsianische Raummarine geflogen, hatte es jedoch aufgegeben, sich militärisch fit zu halten.
»Howdy, XO«, leierte er. Die Sprechweise der Bewohner des Mariner Valley, die den Wilden Westen nachahmten, nervte Holden. Auf der Erde gab es seit hundert Jahren keine Cowboys mehr, und auf dem Mars gab es keinen einzigen Grashalm, der nicht unter einer Kuppel steckte, und kein einziges Pferd, das nicht im Zoo lebte. Das Mariner Valley war von Leuten aus Ostindien, China und ein paar Texanern besiedelt worden. Anscheinend war der leiernde texanische Tonfall ansteckend, denn inzwischen redeten sie alle so. »Was macht das alte Streitross heute?«
»Bis jetzt läuft alles glatt. Wir brauchen einen Flugplan. Ade wird uns«, er blickte auf die Zeitanzeige, »in vierzig Sekunden endgültig abbremsen, also beeilen Sie sich. Ich will da raus, die Sache erledigen und die Canterbury wieder auf Kurs nach Ceres bringen, ehe die Sterne verblassen.«
»Alles klar.« Alex kletterte ins Cockpit der Knight .
Es klickte in Holdens Kopfhörer, dann meldete sich Naomi: »Amos und Shed sind an Bord. Hier unten ist alles bereit.«
»Danke. Ich warte nur noch auf die Flugdaten von Alex, dann starten wir.«
Die Mannschaft war auf das absolut notwendige Minimum beschränkt: Holden als Kommandant, Alex flog sie hin
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