Lewis CS - Narnia 3
sofort zum ältesten seiner Sklaven, seinem Sekretär, der mich als kleines Kind auf den Knien gewiegt hatte und der mich mehr liebt als Luft und Licht. Ich ließ ihn schwören, Stillschweigen zu bewahren, und bat ihn, einen gewissen Brief für mich zu schreiben. Er weinte und flehte mich an, meinen Entschluß rückgängig zu machen, doch schließlich sagte er: ,Euer Wunsch sei mir Befehl’ und tat, was ich wünschte. Ich versiegelte den Brief und verbarg ihn an meinem Busen.“
„Was stand denn in dem Brief?“ fragte Shasta.
„Sei still, Kleiner!“ gebot Bree. „Du verdirbst die Geschichte. Sie wird uns zur rechten Zeit von dem Brief erzählen. Fahr fort, Tarkheena.“
„Dann rief ich meine Dienerin, die mich begleiten sollte. Ich befahl ihr, mich am nächsten Morgen sehr früh zu wekken. Und dann tat ich so, als wäre ich fröhlich, und gab ihr Wein zu trinken. Aber ich hatte etwas in ihren Becher geschüttet, was sie für eine Nacht und einen Tag in Schlaf versenken würde. Als sich die Dienerschaft meines Vaters zur Ruhe begeben hatte, erhob ich mich und legte die Rüstung meines Bruders an, die ich zu seinem Angedenken stets in meinem Zimmer aufbewahrte. Ich steckte all mein Geld und einige ausgesuchte Juwelen in meinen Gürtel, nahm mir Proviant, sattelte eigenhändig meine Stute und ritt zur Stunde der zweiten Wache davon. Doch ich wandte mich nicht den Wäldern zu, wo mich mein Vater vermutete, sondern ritt nordöstlich, in Richtung Tashbaan.
Ich wußte, daß mich mein Vater mindestens drei Tage lang nicht suchen würde, da er sich durch meine Worte hatte täuschen lassen. Am vierten Tag kamen wir in der Stadt Azim Balda an. Diese Stadt liegt an einer Stelle, wo sich viele Straßen kreuzen. Von dort reiten die Boten des Tisroc
- möge er ewig leben - auf schnellen Rössern zu jedem Punkt des Reiches; und es ist ein Vorrecht der mächtigen Tarkaanen, durch diese Boten Nachrichten zu verschicken. Deshalb begab ich mich zum Ersten Boten im Gebäude der Herrschaftlichen Post in Azim Balda und sagte: ,O Bote aller Boten, hier ist ein Brief von meinem Onkel Ahoshta Tarkaan an Kidrash Tarkaan, den Herrscher von Calavar. Nimm diese fünf Kreszent und sorge dafür, daß er die Nachricht erhält.‘ Und der Erste Bote sagte: ,Euer Wunsch sei mir Befehl.‘
Dieser Brief war so abgefaßt, als stammte er von Ahoshta, und dies war der Inhalt: ,Ahoshta Tarkaan an Kidrash Tarkaan. Seid gegrüßt, und Friede sei mit Euch. Im Namen Tashs, des Unwiderstehlichen und Unerbittlichen: Wisset, daß es dem Glück und den Göttern gefiel, daß ich auf meiner Reise zu Eurem Hause, die ich unternahm, um die Vermählung mit Eurer Tochter Aravis Tarkheena zu vollziehen, diese Eure Tochter in den Wäldern traf, nachdem sie die bei den Jungfrauen gebräuchlichen Riten und Opfer der Zardeenah beendet hatte. Ihre Schönheit und ihre Demut entzückten mich, und als ich erfuhr, wer sie war, entflammte ich in Liebe, und ich wußte, daß sich die Sonne vor meinen Augen verdunkeln würde, wenn ich sie nicht sofort ehelichte. Also bereitete ich die nötigen Opfer vor und heiratete Eure Tochter noch zur selben Stunde und kehrte dann mit ihr zu meinem eigenen Haus zurück. Und nun bitten wir Euch, so rasch wie möglich hierherzukommen, damit wir uns an Eurem Gesicht und an Eurer Rede erfreuen können. Zur gleichen Zeit ersuche ich Euch, die Mitgift Eurer Tochter mitzubringen, die ich aufgrund der vielen Ausgaben ohne Verzug benötige. Und da Ihr und ich wie Brüder sind, bin ich mir im Herzen sicher, daß Ihr über die Hast unserer Vermählung nicht zürnt, die gänzlich in der großen Liebe begründet liegt, die ich Eurer Tochter zolle. Die Gunst der Götter sei mit Euch.‘
Sobald ich dies getan hatte, ritt ich in größter Eile von Azim Balda fort, ohne Angst vor Verfolgung und im Vertrauen darauf, daß mein Vater nach Erhalt des Briefes Boten zu Ahoshta schicken oder sich selbst zu ihm begeben würde und daß Tashbaan hinter mir läge, bevor die Wahrheit ans Tageslicht käme. Dies ist meine Geschichte bis heute nacht, wo mich Löwen jagten und ich beim Durchqueren des Salzsees zu euch stieß.“
„Und was geschah mit dem betäubten Mädchen?“ fragte Shasta.
„Zweifellos bekam sie Prügel, weil sie zu lange schlief“, entgegnete Aravis kühl. „Aber sie war ein Werkzeug und eine Spionin meiner Stiefmutter. Ich bin froh, daß sie Prügel bekam.“
„Also ich finde das nicht sehr fair“, wandte Shasta ein.
„Ich habe diese Dinge
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