Lichthaus Kaltgestellt
neben den Stühlen der Eisdiele stand. Sie bog gerade um die Ecke, als der Wagen startete und ohne Licht wegfuhr. Das Geräusch schnitt durch die Stille der Nacht und scheuchte zwei Katzen auf, die hastig davonliefen. Das Zentrum Saarburgs war mittlerweile menschenleer, und ihre Schritte hallten von den Mauern der eng zusammenstehenden Häuser wider, als sie den Laurentiusberg hinunterging. Nur aus einer Kneipe drang noch Lärm nach draußen. Eine Metal-Band kreischte aus der Musikbox. Sie gähnte und freute sich auf ihr Bett. Glücklicherweise war es nicht weit.
Saarburg war klein und ihr Elternhaus lag nur wenige Fußminuten entfernt.
Die nächsten Tage würde sie nur mit Dennis abhängen. Ihre Eltern waren in Urlaub gefahren, und sie hatte sturmfreie Bude. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Wie immer nahm sie die Staden und erreichte den Kai, an dem die Ausflugsschiffe verlassen dalagen. Wieder Motorengeräusche. Als sie unter der Saarbrücke ihre Kippe austrat, fuhr der Geländewagen gemächlich vom Brückenkopf herunter und rollte an ihr vorbei. Komisch. Sie ging zum Bürgersteig hinüber und schaute in das Innere des Fahrzeugs. Der Toyota Land Cruiser hatte eine dunkle Farbe und einen eckigen Campingaufbau, den der Besitzer mit allerlei Aufklebern verziert hatte. Besonders ein großer Ritter sprang ihr ins Auge. Im Inneren hockte ein Mann hinter dem Steuer und starrte sie durch das Seitenfenster an. Sie erschrak. Wie Irrlichter glitzerten seine Augen im schwachen Schein der Armaturen, gerade so, als würden sie aus eigener Kraft leuchten. Simone blieb abrupt stehen, während der Wagen weiterfuhr. Aus einem Impuls heraus merkte sie sich die Autonummer. Unschlüssig sah sie sich um.
Plötzlich lag die Angst wie Blei in ihrem Magen und sie zog das Handy aus der Tasche und rief Dennis an, hörte aber nur eine Computerstimme, die ihr mitteilte, dass er momentan nicht erreichbar sei. Wieder zögerte sie, denn die nachtschwarze Straße wirkte wie ein Maul, das sie verschlingen wollte. Sollte sie nun weitergehen oder zurück zu Bruno laufen und sich von ihm heimfahren lassen? Doch der würde sie nur auslachen. Sie marschierte los, und als die Straße einen leichten Bogen machte, konnte sie schon bis fast nach Hause schauen, ohne etwas Ungewöhnliches zu bemerken. Doch gerade, als sich jetzt die Spannung etwas lockerte, sprang ihr aus dem Schatten einer Toreinfahrt eine dunkle Gestalt entgegen. Simone schrie auf. Sie hatte vor einigen Monaten einen Selbstverteidigungskurs besucht und trat dem heranspringenden Mann instinktiv in die Weichteile. Der Kerl sackte zusammen. Sofort ergriff sie ihre Chance und rannte los so schnell sie konnte.
»Sag mal, hast du sie noch alle?«, rief es hinter ihr.
»Dennis?« Sie blieb zitternd stehen.
»Nein, der Weihnachtsmann.« Ihr Freund kniete auf der Erde und stöhnte vor Schmerzen. Sie ging zurück und hockte sich neben ihn, als er heftig atmend in die Hocke kam.
»Mensch, bin ich froh, dass du da bist.« Ihr wurde schlecht, wie immer wenn die Anspannung nachließ, und sie atmete tief ein.
»Merkwürdige Art, das zu zeigen.« Er lehnte sich an eine Hauswand. »Was ist denn los?«
Simone berichtete, was vorgefallen war, und nun wurde auch er nervös. Er erzählte von der toten Frau, die bei Trier gefunden worden war, und wachsam liefen sie Hand in Hand weiter, ohne den auffälligen Toyota zu sehen. So erreichten sie das Grundstück der Simons. Simone schloss auf. Ohne Licht zu machen, fiel sie ihrem Freund sofort um den Hals und küsste ihn erleichtert. Als sie sich von ihm löste, um die Haustür zu schließen, war der Toyota plötzlich wieder da. Er stand in einer kleinen Straße, die schräg gegenüber einmündete. Der Fahrer hatte so geparkt, dass er die Haustür gut im Blick hatte und mit nur wenigen Schritten hier sein konnte. Dennis’ Blick war ihrem gefolgt. Er reagierte prompt und sprintete nach draußen.
»Dennis!« Sie schrie verzweifelt, doch er hörte sie nicht. Der Motor heulte auf und das Fahrzeug schoss dicht an dem Heranstürmenden vorbei, der ihm wütend gegen den Campingaufsatz schlug.
»Hau bloß ab, du Drecksau!«. Schwer atmend sah er den davonfahrenden Lichtern hinterher.
*
Es war noch früher Morgen, als Lichthaus seine Steuerunterlagen auf dem Schreibtisch beiseiteschob. Kurz zuvor hatte Henriette geweint, und er war aufgestanden, um sie zu beruhigen. Nun konnte er nicht mehr einschlafen, saß am Schreibtisch und ließ die Ereignisse der
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