Lichthaus Kaltgestellt
vergangenen Tage Revue passieren. Auf einem großen Bogen Papier begann er, seine Gedanken, aber auch die Fakten als Schlagwörter aufzuschreiben und mit Strichen zu verbinden. Er musste seine Gedanken ordnen und würde anhand dieser Übersicht einen neuen Bericht verfassen.
Als er um fünf Uhr fertig war, hatten die Ermittlungen wieder die Struktur erhalten, die er brauchte, um am nächsten Tag weiterzumachen. Er druckte den Bericht aus, um ihn später Müller, Cornelia Otten und dem Polizeipräsidenten zukommen zu lassen. Der müsste entscheiden, was sie der Presse mitteilen würden. Er hoffte, dass der DNA-Abgleich, ihre große Chance, einen Namen auswerfen würde, glaubte jedoch nicht so recht daran, denn welcher bereits in der Datenbank registrierte Täter würde es ihnen so leicht machen? Sollte sich also nichts ergeben, wären sie an einem kritischen Punkt, da die übrigen Spuren kalt waren. Sie müssten die Bevölkerung im Hunsrück befragen und versuchen, ein Täterprofil zu erstellen. Um zu guten Ergebnissen zu kommen, brauchten sie jedoch mehr Informationen. Die würden sie hoffentlich durch die weiteren Befragungen in Trier erhalten, die auf Glocken- und Kochstraße ausgedehnt worden waren. Aber auch das blieb abzuwarten. Außerdem war da noch der Knopf. Er würde Spleeth deswegen anrufen.
Die Müdigkeit kam zurück. Er fiel schwer wie Blei ins Bett und war sofort weg, bis der Wecker um acht Uhr klingelte. Claudia und Henriette waren bereits aufgestanden, und er hörte, wie seine Frau in der Küche klapperte und dem Baby ein Lied vorsang. Obwohl es schon spät war, blieb er einen Moment liegen und genoss den Augenblick der Normalität. Er lauschte den gewohnten Geräuschen, beobachtete das Tageslicht, das wie immer morgens schräg durch die Ritzen der Rollläden ins Schlafzimmer fiel. Mit einem Seufzen raffte er sich auf und duschte die Müdigkeit so gut es ging in den Abfluss.
Unten war der Kaffeetisch gedeckt, und Claudia saß stillend auf ihrem Stuhl. Während er frühstückte, unterhielten sie sich über die Vernissage, die ein voller Erfolg gewesen war. Für vier der Exponate gab es bereits Interessenten. Claudia platzte fast vor Freude. Die Gespräche des vergangenen Abends hatten sie inspiriert, und sie wollte die Staffelei auf alle Fälle mit in den Urlaub nach Holland nehmen. Plötzlich wurde sie ernst.
»Wie sieht es bei dir aus mit ein paar freien Tagen?« Claudia fragte ohne große Hoffnung in der Stimme. Sie hatten geplant, eine Woche gemeinsam mit Claudias Eltern ans Meer nach Walcheren zu fahren. Eigentlich wäre das kein Problem, da ihm Müller schon seit Monaten wegen der vielen Überstunden in den Ohren lag, doch nun, wegen der Ermittlung, sah er keine Chance, diese in Freizeit umzuwandeln.
»Schlecht. Wir werden wohl bald irren Druck kriegen, von oben und aus der Öffentlichkeit.«
Resigniert zuckte er mit den Schultern, nahm ihr das Baby ab und schaukelte es sanft hin und her. Er sah ihr an, wie traurig sie war.
»Macht es dir was aus, wenn ich alleine mit meinen Eltern fahre? Hier haben wir ja auch nichts von dir.«
»Na klar!« Er bemühte sich, seine Erleichterung über die Lösung des Problems zu verbergen. »Und wenn es irgendwie möglich ist, komme ich am Wochenende nach. Versprochen.« Er küsste seine Tochter, legte sie in die Wiege und nahm seine Frau in den Arm. »Der Mörder macht mir Angst, denn ich habe das Gefühl, dass er nicht aufhört. Wir müssen den Kerl schnappen, sonst gibt’s bald noch ein totes Mädchen.«
»War Eva nicht sein erstes Opfer?« Sie sah ihn groß an. Ihr war unbehaglich zumute.
»Bewiesen ist noch nichts, aber es werden in der Umgebung zwei weitere Mädchen vermisst.«
»Hoffentlich hast du Unrecht.«
Kurze Zeit später fuhr er los. Claudia würde den Tag zu Hause verbringen und ihre neuen Einfälle skizzieren. Er hatte ihr wenig Hoffnung gemacht, dass er früh zurück wäre, aber das kannte sie ja bereits.
Das Präsidium erreichte er um fünf Minuten nach neun. Auf dem Weg nach oben ging er in die Kantine, um eine Flasche Wasser zu kaufen. Der Raum war leer bis auf Spleeth, der müde aus dem Fenster schaute und an einem Kaffee schlürfte. Lichthaus setzte sich zu ihm. Der Kollege trug dieselbe Kleidung wie am Vortag, war unrasiert und hatte gerötete Augen.
»Haben Sie durchgemacht?«
Spleeth nickte nur langsam. »Wir waren noch bei diesem Bleier. Aber der ist sauber. Die Autos sind ewig nicht geputzt worden, doch von der Kleinen
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