Lichtspruch nach Tau
einteilen, zuteilen, begrenzen, eingrenzen, festlegen will. Solche gibt es immer noch, und darum wissen wir vielleicht besser als Sie, wer und was gemeint ist. Ich hatte nicht solch beschränkten Sinn bei den kunstfreudigen Athenern erwartet. Werden sie uns doch als Beispiel vorgehalten. Ich verliere schon fast die Lust, Ihnen weiter zu schreiben.
Ihr Klaus Meier
Dionysien 411
Lieber Klausmeier, auch ich hätte lieber heute als morgen den Briefwechsel mit
Ihnen, dem nachgeborenen Ewiggestrigen, aufgegeben, wenn
mich nicht die Überzeugung triebe, daß ich Sie doch eines Besseren belehren kann. Und muß. Denn schließlich ist es die
Wahrheit, die Sokrates und ich lehren, und dieser Wahrheit
kann sich eben auf die Dauer keiner verschließen. Auch kein
Aristophanes, der nur deshalb die Jahrtausende überdauerte,
weil zufällig von ihm einige Stücke übriggeblieben sind. Nur
so kann ich es mir erklären, daß er Sie noch mit seinen unausgegorenen Gedanken beschäftigt.
Aber ich bin gewiß, durch sein letztes armseliges Stück,
dem er den Titel »Lysistrate« gegeben hat, wird Sie der Mann
selbst von seiner Nichtigkeit überzeugen. Unterhaltungskomödianten, die um die Gunst der Menge buhlen müssen, werden diesen Stoff immer wieder den Zuschauern aufbraten, des
bin ich gewiß.
Schon die Geschichte dieses allzu einfachen Schwanks, eine
Utopie im schlechten Sinne des Wortes, sagt jedem genug, der
denken kann und es auch will.
Die Frauen beschließen, den Männern so lange ihre Dienste
zu verweigern, bis die Frieden schließen, vor allem wollen sie
sich des Geschlechtsverkehrs enthalten. Sie reizen die Männer
auf, entkleiden sich kunstvoll und langsam, heizen die Begehrlichkeit an und lassen die armen Gatten mit gesteiften
Schwänzen abziehen.
Darüber muß ich lachen, denn welchen Mann, von einfältigen Gemütern abgesehen, kann das berühren. Wie lebensfremd ist doch dieser Einfall, der nur beweist, auf welch niedriger Ebene dieser A. seine geschlechtlichen Bedürfnisse zu
befriedigen pflegt. Männer von höherer Geistigkeit vermischen sich doch nur mit Frauen, damit der Nachwuchs nicht
ausbleibt, und wenn ich Sokrates recht verstanden habe, so
tritt er für einen Beischlaf mit den Frauen deshalb ein, damit
Athen nicht ausstirbt. Das ist eine Pflicht, der die Männer zu
genügen haben, gleichwie, mit geschlossenen Augen und ohne
Gefühl. Wahre Liebe jedoch ist nur unter Männern möglich.
Das ist eine Liebe, in der sich geistiger Genuß mit der sinnlichen Freude an schönen Körpern mischt, denn was ist dieser
weibliche Körper gegen die kraftvolle Anmut eines schönen,
den Raubtieren vergleichbaren Körpers eines Jünglings, besonders wenn mit ihm Gespräche vorausgegangen sind, an die
zurückzudenken Gewinn und Genuß zugleich bringt. Wer es
je mit wachen Sinnen genossen hat, wird keine Freude daran
finden, bei einem Weibe zu liegen. Bei den Weibern Getändele,
Gekreisch und Gespräche über das Thema, wo sie das Geld für
das morgige Essen hernehmen sollen.
Aber A. kehrt das unbekümmert um. Hören Sie nur, wie er
die Lysistrate sprechen läßt:
»Immer mußten wir Frauen, gefügig wie wir sind, im Krieg
mit Geduld hinnehmen, was ihr Männer plantet und ausführtet. Mucksen durften wir nicht. Uns gefiel das gar nicht. Nur
als Beobachter saßen wir eingeschlossen in unseren Wohnungen, und wir bekamen dann mit, was ihr wieder für Dummheiten auskochtet, wenn ihr über wichtige Dinge beraten habt.
Manchmal kam es uns hoch, wenn wir euch dann fragten, was
hat denn eure Versammlung heute in Sachen des Friedens beschlossen? Was wird denn nun an die Säule geschlagen? Was
geht’s dich an, antwortete ärgerlich-mürrisch der Mann. Halt’s
Maul und schweig! Und ich schwieg.«
Und danach läßt A. die Dialoge auf Weiberart führen, also
auf Hausfrauenebene. Da kommen diese Einwände: »Wir
Frauen geben unsere Kinder und hätten deshalb ein Recht
mitzureden. Aber ihr Greise, ihr elenden« (als ob alle Männer,
die regieren, Greise wären), »ihr gebt gar nichts. Im Gegenteil,
ihr greift sogar die Staatsrücklagen an. Ihr führt uns noch in
den Untergang. Und da wollt ihr euer Maul aufreißen.« »Wenn du mir zu nahe kommst«, sagt Lysistrate zum Anführer, »schlag’ ich dir mit dem ungegerbten Schuh die Zähne
ein.«
So wird alles auf den Kopf gestellt. Kein Wort davon, daß
die Staatsrücklagen dazu dienen, das Heer auszurüsten, um
endlich diesen welthistorischen Krieg zu beenden. Kein Wort
davon, daß, wenn sich die
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