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Lichtspruch nach Tau

Lichtspruch nach Tau

Titel: Lichtspruch nach Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben.« Gerade das habe ich mir notiert, weil ich solche Prinzipien
auch für eine utopische Literatur für wünschenswert halten
möchte. Denn ich trage Sorge, daß belletristische Literatur zur
Fachliteratur werden könnte. Der spezialisierte Autor zieht
auch den spezialisierten Leser nach sich. Und es wäre denkbar, daß eine Sparte utopische Literatur sich wiederum in Untersparten teilte, etwa in Weltraum-, in biologische Verwandlungs-, in Zeitmaschinenutopie. Dann gäbe es zum Beispiel
Spezialisten für utopische Zeitmaschinenliteratur. Eine solche
Sektenliteratur wird eine entfremdete Literatur, die dann nur
Eingeweihten verständlich bleibt. Eine Sekte erklärt ja ihre Lebensmaxime als alleingültig. Alles andere, was diese ihre
Hauptmaxime nicht berührt, ihr entgegensteht, wird ausgeklammert, weggeschnitten, sogar verketzert. Sektenmitglieder
unterliegen einem Kastrationskomplex, der ihnen die sinnliche
Befriedigung ersetzt. Gegen solche leider nichtutopischen
Möglichkeiten sehe ich den von uns verehrten A. als Heilmittel.
Ich möchte nicht auf dem Begriff utopische Literatur beharren, denn, lieber Aristodemos, ich lebe in einem Land, in dem
die Leute die Neigung haben, sich allzugerne auf haargenaue
begriffliche Bestimmungen einzulassen, wobei sie sich so sehr
im einzelnen verfisseln, daß sie die Hauptsache aus dem Auge
verlieren. Nennen wir sie Literatur, die Phantasiewelten
schafft: andere Welten, Gegenwelten entwirft oder große Erfindungen vorwegzunehmen versucht. Ihr Klaus Meier
Dionysien 420
    Lieber Freund Klausmeier, ich halte Ihnen ja zugute, daß Sie als der 2400 Jahre Jüngere
nicht über Ihren Schatten springen können und Sie in diesem
A. nach so langer Zeit eine große Persönlichkeit sehen, die er
gar nicht gewesen ist. Wir betrachten ihn mit den nüchternen
Augen der Gegenwart. Was er da an ethischen Absichten verkündete, mag sich edel anhören, ist aber Eigenloberei. Und Sie
werden doch nicht die Weisheit vergessen haben, daß Eigenlob stinkt. Denken Sie doch an diese armseligen Regierungen,
wir haben genug davon hinter uns, die dauernd mit ihren angeblichen Erfolgen prahlen.
Sokrates und seine Leute finde ich kühner, indem sie diese
Prahlhänse der Eigenverdienste Auge in Auge zur Rede stellen. Sind Ihnen da keine Beispiele mehr überliefert? Was soll da diese Verjüngungsgeschichte namens »Geras«,
die A. gerade aufführen ließ. Ist es überhaupt wünschenswert,
daß sich die Menschen verjüngen lassen? Und was heißt das
überhaupt, verjüngen? Sind Sie, der um 2400 Jahre Nachgeborene der Jüngere, oder sind Sie der Ältere? Als Einzelwesen
betrachtet, mögen Sie der Jüngere sein, als Teil der Menschheit
sind Sie jedoch der Ältere, denn die Menschheit ist um 2400
Jahre älter geworden. Da kommen die Begriffe jünger oder
älter durcheinander.
Sich verjüngen zu lassen, bedeutet das nicht, auf Erfahrungen zu verzichten und letzten Endes auf Weisheit? Und wie ist
es in Wahrheit? Die Jungen würden gern älter sein und die
Alten gern jünger. Weise aber will keiner sein.
Doch zurück zu A. So spielt also dieser Viel- und Schnellschreiber mit menschlichen Wunschvorstellungen, ohne dabei
zu berücksichtigen, daß diese unreif und unbedacht sind. Das
nenne ich verantwortungslos.
Ich will Ihnen da noch ein Beispiel vorführen. In seinem albernen Reißer »Der Frieden« läßt er den Bauern Trygaios mit
einem Mistkäfer zum Olymp fliegen, um die Friedensgöttin
auf die Erde zu holen. Was können die Menschen nicht alles
schon: laufen, reiten, fahren, sich fahren lassen, tauchen,
schwimmen? Nur fliegen möchten sie noch.
Es klingt zunächst einleuchtend. Wenn man Pferde vor einen Wagen spannen kann, um sich ziehen zu lassen, warum sollte man nicht auch Vögel mit Leinen vor einen Korb spannen, sich reinsetzen und in die Lüfte ziehen lassen. Mehrere kräftige Vögel wie Adler müßten das schaffen. Es wäre ein Problem der Abrichtung. Schließlich ist es schon gelungen, Vögel für die Jagd abzurichten. So denkt das ungebildete Volk, und Aristophanes, auf Beifall erpicht, löst das Problem. In seiner Komödie. Es war im Theater sehr schön anzusehen, wie sich der Trygaios auf den Mistkäfer setzte und in die Luft stieg, mittels eines Strickes, der, vielen unsichtbar, vom Kran in die Höhe gehoben wurde. Viele glaubten da, der Schauspieler fliege wirklich. Wir Philosophen aber sehen das wissenschaftlich, wir kennen das physikalische Gesetz, alles Leichte steigt nach oben, und da der Mensch

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