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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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wohl dachte, doch als sie ihn ansah, starrte er nur auf den Boden und blies Rauchkringel.

    »Hör zu«, sagte er, als sie ihn gerade darauf aufmerksam machen wollte, dass es Zeit wurde, wieder in den Besprechungsraum zu gehen. »Wir brauchen es. Ich würde dir und Kolodny derlei nicht zumuten, wenn’s nicht wirklich wichtig wäre.«
    »Wir brauchen es? Wer wir?«
    »Wir ich.« Für Emergente KIs war es typisch, individuelle Grenzen auf diese Weise zu verwischen. Pronomen hatten für ihn keine Bedeutung; ich und nicht ich wechselten jedes Mal, wenn er eine Netzwerkbeteiligung bewilligte oder einen Kooperationsvertrag unterschrieb. Wir war manchmal kein Einziger, manchmal hundert gleichzeitig. Aber zumindest klang es so, als habe er nicht vor, seine Technologie-Prämie an den Höchstbietenden zu versteigern. Li nahm an, dass das schon etwas zu bedeuten hatte.
    Sie ließ ihre Zigarette fallen und zertrat sie mit dem Stielabsatz. Die Virufaktur-Bodenlegierung aktivierte ihre Reinigungspartikel, und binnen weniger Sekunden war an der Stelle, wo die Kippe die mattgraue Oberfläche berührt hatte, keine Spur mehr zu sehen.
    »Ich finde diese Böden schrecklich«, sagte Cohen und starrte düster auf die Stelle, wo die Zigarette gelegen hatte. »Ich habe noch keinen gesehen, der tatsächlich den Unterschied erkennen kann zwischen etwas, das man weggeworfen hat, und etwas, das einem versehentlich aus der Tasche gefallen ist. Ich habe auf diese Weise einige hübsche Schmuckstücke verloren. Ganz abgesehen von der Adresse des hübschesten Jungen, mit dem ich nie geschlafen habe.«
    »Du bist ein echter Märtyrer«, sagte Li geziert.
    »Nun ja. Wir haben alle unsere Kämpfe auszufechten.« Er sah sie an und wartete. »Wie willst du dich in dieser Auseinandersetzung verhalten?«

    »Ruf Nguyen an und sag ihr, dass ich meine Befehle schriftlich haben will«, sagte Li mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Was sonst?«
    Cohen sah ihr lang und ernst in die Augen. »Du konntest mir immer vertrauen.«
    Er betrachtete sie mit vollkommener, übermenschlicher Ruhe – eine Marionette, deren elektronische Fäden durchtrennt worden waren. Li hatte diese Stille im Laufe der Jahre einzuschätzen gelernt. Sie markierte den Horizont ihrer Freundschaft, so wie eine Gewitterwolke für einen Bergsteiger den nächsten Gipfel markiert. Sie wusste nicht, was diese Ruhe bedeutete, so wie sie auch nicht wusste, was sie vom Wetter zu erwarten hatte. Aber sie war ein Zeichen. Manchmal das einzige Zeichen, das sie hatte.
     Er sprach jetzt online, mit der volltönenden Tenorstimme, die sie immer noch, vielleicht naiverweise, als seine eigentliche Stimme betrachtete.
    Sie starrte ihm in die Augen, die mit jedem neuen Interface wechselten, ihn aber doch immer verrieten. In das unergründliche Geheimnis hinter diesen Augen. In den fünfzehn Jahren seit Lis Rekrutierung – den einzigen Jahren, die von den Truppendatenbanken abgedeckt wurden – , war Cohen der Einzige, der so etwas wie ein Freund geworden war. Und damit war er der einzige Freund, den sie überhaupt je gehabt hatte. Sie kannte seine extravaganten Gewohnheiten, seine cleveren Finten und Anwandlungen von Humor, die schönen Körper, die er so selbstverständlich wechselte wie die weichen Hemden, die ihm sein Schneider anfertigte. Sie wusste, welche Länder er als seine Heimat betrachtete, zu welchen Göttern er betete. Aber wann immer sie etwas Reales, Festes zu greifen
versuchte, glitt er ihr durch die Finger und ließ sie mit offenem Mund und leeren Händen zurück.
    Sie kannte ihn nicht. Sie bezweifelte, dass man ihn überhaupt kennen konnte.
    Ob sie ihm vertraute? Genauso gut konnte sie blind in dunkles Wasser springen.
     
    »Siehst du?«, fragte Kolodny und schob den Bolzen ihres Karabiners mit solch mechanischer Präzision zurück, dass Li sich für einen Moment einbildete, sie könne sehen, wie das Mikrorelais die Keramstahlfasern unter ihrer Haut zusammenzucken ließen. Nur ihre langjährige Erfahrung verriet ihr, dass Cohen nicht mehr im Overlay war und Kolodny ihr selbst diese Frage stellte.
    Sie flogen tief an und verbargen den Triebwerksausstoß des Landers in den heftigen Sandstürmen, die auf Metz stets vor der Dämmerung aufkamen. Unter ihnen blitzten schachbrettartige Felder auf. Flaches Land reichte bis zu einem ebenen Horizont, der nie von Gletschern oder

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