1734 - Hexenhand
Sandrine wünschte sich, endlich zu sterben. Doch den Gefallen tat man ihr nicht.
Sie ließen sie leiden!
Ihr Körper war geschunden. Die Kleidung zum Teil zerfetzt. Beulen, Risse, Wunden – Schmerzen überall, bis zum Gesicht, wo die Haut blaue Flecken zeigte. Selbst auf dem Kopf schmerzte es, als hätte man versucht, ihr die Haare büschelweise auszureißen.
Die Frau lag auf dem Boden. Sie hatte sich auf die Seite gedreht und lauschte ihrem rasselnden Atem. Rechts und links standen die Aufpasser. Sie hatte versucht, mit ihnen zu reden und um etwas Erleichterung zu bitten, einen Schluck Wasser, aber die Antwort waren Tritte in die Hüften gewesen.
Von diesem Moment an hatte Sandrine es aufgegeben, um etwas zu bitten. Sogar bespuckt worden war sie. Sie war ja nichts wert, sie, die Sandrine hieß und eine Hexe war.
Hexen durfte es zwar geben, aber nur so lange, bis sie zum Scheiterhaufen geschleppt wurden, um dort den Tod durch die Flammen zu sterben.
Sie wusste nicht, wo die Schmerzen am schlimmsten waren. Das änderte sich laufend, manchmal hatte sie das Gefühl, als würden die Schultern auseinandergerissen, dann wieder stachen sie durch ihren Kopf und vergaßen auch das durch Wunden gezeichnete Gesicht nicht. Die Beine fühlten sich an, als wären sie an verschiedenen Stellen gebrochen. Selbst durch die Füße wühlte sich der Schmerz.
Die Hexenjäger hielten sich in der Nähe auf. Sie hatten ein Lager aufgeschlagen, legten eine Pause ein und bereiteten sich auf das vor, was noch folgen würde. Es war der Höhepunkt. Es war das Feuer, das sie fressen sollte. Flammen mussten in den Himmel lodern und die Nacht erhellen. Und dann würde der Körper vom Feuer erfasst werden und verbrennen.
So sollte die Nacht enden. Für Sandrine mit dem Tod, für ihre Mörder mit einem Fest.
Auch innerlich fühlte sie sich zerschunden. Ihr Mund war ausgetrocknet. Speichel gab es nicht mehr. Sie gierte nach einem Schluck Wasser. Aber die Wächter hätten eher auf sie uriniert, als ihr etwas zu trinken zu geben.
Und so wartete sie weiter. Bei jedem Atemholen schmerzte es in ihrer Lunge. Das lag an den inneren Verletzungen, die Sandrine durch die brutalen Schläge und Tritte zugefügt worden waren.
Um sie herum war es dunkel. Der Sommer hielt das Land im Griff. Die Erde war durch den langen Sonnenschein ausgetrocknet worden. Die Natur sehnte sich nach Regen, aber der kam nicht, und so würde die Hitze weiterhin über dem Land liegen.
Sie war nichts gegen das Feuer, das die Männer bald entzünden würden. Das Reisig war bereits geholt und aufgeschichtet worden. Auf einen Pfahl hatten sie verzichtet. Wenn das trockene Holz brannte, würden sie Sandrine in die Flammen schleudern, damit von ihr höchstens ein geschwärztes Skelett zurückblieb und ihr Dasein als Hexe vorbei war.
Sie lauschte den Rufen, die jetzt lauter geworden waren, denn ihr Gehör funktionierte noch. Die Männer waren bereit, das Feuer zu entzünden.
Einige lachten. Andere wiederum stießen mit ihren Bechern an und tranken ein Gemisch aus Wein und Wasser.
Sie waren Jäger, sie waren Mörder, und sie kannten keine Gnade. Wurden ihnen bestimmte Informationen über eine Person zugetragen, die als Hexe galt, dann waren sie bereit, sofort einzugreifen und all ihre Grausamkeiten auszuspielen.
Sandrine bewegte sich nicht, denn jedes auch nur kleine Zucken schmerzte. Immer wieder biss sie die Zähne zusammen, um ein Stöhnen zu vermeiden. Sie wollte der anderen Seite keinen Triumph gönnen, und sie nahm sich vor, auch nicht zu schreien, wenn die Flammen ihren Körper erfassten.
Das Blut aus den Wunden war mittlerweile getrocknet. Auch in ihren Haaren klebte Blut, und sie schmeckte es im Mund, denn man hatte ihr die Lippen aufgeschlagen.
Es war schlimm, und sie wünschte sich weit weg. Man hatte sie im Stich gelassen. Es gab niemanden, der ihr helfen wollte. Auch der Mann nicht, auf den sie mal gehofft hatte, weil er für sie Verständnis aufbrachte. Möglicherweise hatte er sie sogar verraten, denn auf dieser Welt und in dieser Zeit war alles möglich.
Sandrine hörte den Schrei und zugleich das Klatschen. Wenig später veränderte sich ihre Umgebung. Der Boden blieb nicht mehr dunkel. Über ihn hinweg huschte ein Flackern, das aus hellen und dunkleren Farben bestand.
Widerschein!
Sie wusste sofort, dass jemand den Scheiterhaufen angezündet hatte und ihr Leben sich allmählich dem Ende zuneigte. Aus Richtung des Feuers erklang der Befehl einer heiseren
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