Liebe die bleibt
erkennen.
Die haben mich sogar ausgezogen, denke ich gleichgültig.
Noch etwas wacklig auf den Beinen, lass ich mich von den beiden in die Küche an den aufwendig gedeckten Frühstückstisch führen.
„Du brauchst jetzt was Herzhaftes , und zwar gebratene Eier mit Speck“, schlägt Gregor vor, während Tibor mich mit frisch gepressten Orangensaft und einem starken Kaffee versorgt.
„Vielen Dank , das ist wirklich nicht nö…“
„Doch das ist nötig, damit du wieder zu Kräften kommst . Ich brauch dich“, schneidet mir Tibor das Wort ab. „Nächste Woche beginnt der Ernst des Lebens.“
Der hat für mich eigentlich schon gestern begonnen, denke ich und hungrig die gebratenen Eier vertilge.
„Freust du dich schon?“, will er wissen.
„Ich bin sehr aufgeregt… irgendwie ist mir mulmig“, erwidere ich kauend.
„Die erste Woche werde ich dich begleiten, dann musst du selbst zurechtkommen.“
Ich war Tibor sehr dankbar, dass er mich nicht gleich ins kalte Wasser geworfen und m ich tatsächlich bei meinen ersten Touren begleitet hat. Schneller als erwartet, wurde ich selbstsicherer, was sich in einer rasanten Fahrweise äußerte.
„Du bist zu schnell, Leila, du hast dem anderen die Vorfahrt genommen… die Ampel war schon ziemlich dunkel gelb… du musst aufpassen, sonst bist du deinen Schein schneller los, als du hupen kannst“, rügte er mich oft.
Natürlich beherzigte ich Tibors Kritik, aber sie schmeichelte mir auch, weil sie mir eine selbstbewusste Fahrweise bescheinigte, die ich mir vor ein paar Wochen nicht zugetraut hätte. Ich ging in meiner neuen Tätigkeit auf wie ein Hefekloß im kochenden Wasser. Mein Verdienst war ausreichend. Ich konnte meine geliebte Wohnung behalten, meine Putzjobs an den Nagel hängen – außer bei Herrn Kommerzialrat a. D., diesem männlichen Wienerblutsgemüt – und meine Freude darüber war groß genug, jeden Tag mit einem freundlichen Lächeln in mein Auto zu steigen.
Ich hatte auch keine Zeit mehr, mich in Selbstmitleid zu baden. Ich fand mich damit ab, dass Tibor meine Gefühle nicht erwidern konnte. Die Tatsache, dass er einen Mann liebte, stimmte mich gütlich und tat unserer freundschaftlichen Verbindung keinen Abbruch. Auch meine Gedanken an Augustin verblassten zunehmend. Wenn ich an ihn dachte, tat ich es im Guten. War dankbar für die schöne Zeit, die ich mit ihm erleben durfte, und gab ihr einen Logenplatz in meinem Herzen. Es war die Ökonomie der Gefühle, der ich mich beugte. Natürlich hatte ich diese Gelassenheit auch meinem neuen Job zu verdanken. Ich lernte während meiner Touren viele Leute kennen, die mir freiwillig aus ihrem Leben erzählten. Lustige Geschichten, die mich zum Lachen brachten, traurige Geschichten, die mich nachdenklich stimmten. Die größte Anteilnahme, galt einigen meiner Stammgäste. Darunter waren Leute, die ich regelmäßig ins Krankenhaus zur Dialysebehandlung oder zur Chemotherapie fahren durfte. Einige von ihnen waren noch jung. Diese Schicksale gingen mir sehr nahe und beeinflussten meine Lebenseinstellung. Ich schwor mir, so lange ich gesund bin, nie mehr unglücklich zu sein und jeden neuen Tag zu genießen.
15. Kapitel
„Männlicher Fahrgast… Hotel Mercure … Hotterstraße 4… übernehmen…?“, höre ich die funkverknackte Stimme aus der Zentrale.
Eigentlich habe ich schon längst Feierabend, dunkel ist es auch schon, aber da ich noch nicht müde und der heutige Tag sehr ruhig verlaufen ist, willige ich ein.
„Übernehme“, antworte ich und wiederhole noch mal die Adresse. Meine Stimme klingt etwas angeschlagen, seit einer Woche brüte ich eine mittelprächtige Erkältung aus. Wie immer schlägt mir das zuerst auf die Stimme. Ursula und Steffi, die Kolleginnen in der Zentrale, ziehen mich schon seit Tagen damit auf, dass sich die „Simpson Marge“ meines Taxis bemächtigt habe…
Bevor ich wieder losfahre, putze ich mir die Brille. Bei meinem Augentest hatte sich eine minimale Sehschwäche herausgestellt. Ich müsste die Brille nicht unbedingt tragen, aber tu es trotzdem, weil sie mir verdammt gut steht.
Fünf Minuten später habe ich besagtes Hotel erreicht. Während ich vor dem Eingang warte, lausche ich der rauchigen Moderatorenstimme auf Klassik Radio Bayern 4.
Die ersten Klänge eines meiner Lieblingsstücke aus Tschaikowskys Nussknacker-Suite erklingen, als jemand die Tür des Wagens öffnet.
„Hatschie…“, macht sich mein Fahrgast bemerkbar.
„Gesundheit“,
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