Dienerin zweier Herren
1
Fröhlich wippte Juliane im Rhythmus des Liedes mit, das im Radio gespielt wurde. Boogie- Woogie. Sie sah förmlich die Hände des Pianisten vor sich, wie sie über die Tasten tanzten.
Dieser Montagmorgen war einfach herrlich. Alles passte zusammen. Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite.
Als Juliane aufstand und die Rollläden hochzog, fiel ihr Blick als Erstes auf den strahlend blauen Himmel. Endlich ein Morgen, an dem es sich lohnte, das Verdeck ihres knallroten Cabrios zurückzuschlagen. Vielleicht war es um diese frühe Uhrzeit ein wenig übertrieben, offen zu fahren, aber sie war so glücklich, als müsse ihr Herz zerspringen. Die Hitze der Nacht war noch immer in ihrem Körper. Sie benötigte dringend eine Abkühlung. Trotzdem zog sie sorgfältig den Reißverschluss ihres Sweatshirts bis unter das Kinn zu.
Der Fahrtwind zerrte an ihren ordentlich hochgesteckten Haaren. Juliane lächelte versonnen. Eine wunderbare Nacht voller sexueller Erfüllung lag hinter ihr. Wie schön das Leben sein konnte. Es ging ihr rundherum gut, so gut wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Ein Grund zum Jauchzen und Singen und um gut gelaunt in diesen Tag zu starten.
Vor sich hinsummend machte sie das Radio lauter.
Zu spät bemerkte Juliane die dunkle Limousine, die ihr auf ihrer Fahrbahnhälfte nach einer Kurve entgegenkam. Verzweifelt versuchte sie auszuweichen, riss das Lenkrad zur Seite und kam dabei von der Straße ab. Der Randstreifen der Ausfallstraße zwischen der Stadt und dem Vorort war etwa fünfzig Zentimeter breit gekiest und fiel dann seitlich zu den Feldern gut einen Meter tief ab. Julianes Glück im Unglück war, dass sich auf ihrer Straßenseite keine Bäume befanden, mit denen ihr Auto kollidieren konnte.
Das Letzte, was sie wahrnahm, ehe sie das Bewusstsein verlor, war ihr Salto aus dem Wagen, begleitet von ihrem lauten Schrei. Dann verdunkelte sich der makellos blaue Himmel vor ihren Augen.
– * –
Es war zu Beginn der Mittagspause, der letzte Patient war gerade gegangen, als es an der Tür von Sprechzimmer 1 klopfte.
«Ja?» Domenico hob unwillig den Kopf. Die Patientenakte, in der er gelesen hatte, gab Anlass zur Sorge und er ließ sich ungern beim Nachdenken stören.
Sprechstundenhilfe Isabella kam herein, gefolgt von zwei Männern, der eine lässig in Jeans, der andere in einem durchschnittlichen graubraunen Anzug gekleidet, der seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte.
«Herr Doktor, Entschuldigung – hier sind zwei Leute von der Kripo, die Sie unbedingt sprechen möchten.»
Domenico stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und reichte den beiden nacheinander die Hand. Was wollte die Kripo von ihm? Hoffentlich war nichts mit einem seiner Patienten geschehen.
«Guten Tag. Mein Name ist Werner, das ist mein Kollege Degenhart. Sie sind Doktor Antonino Berger?», fragte der Kriminalbeamte und Domenico merkte, wie dieser aufmerksam sein Gesicht musterte.
«Nein, Antonino ist mein Bruder. Ich bin Domenico Berger. Um was geht es denn bitte?»
«Nun, wir würden gerne Ihren Bruder sprechen. Ist er da?»
Domenico hatte auf einmal ein ungutes Gefühl. Der Blick der Beamten war durchdringend, forschend. «Wollen Sie mir nicht erst mal sagen, um was es sich handelt? Ist etwas geschehen? Handelt es sich um einen unserer Patienten?»
Werner erwiderte seinen Blick ohne Regung. «Nein. Bitte, können wir Ihren Bruder sprechen? Jetzt! Es ist wichtig», wiederholte er eindringlich.
Domenico zuckte kurz mit den Schultern. Meinetwegen. Der Tonfall des Beamten gefiel ihm nicht und er fragte sich, warum dieser Isabella nicht gesagt hatte, dass er Antonino sprechen wollte. Aber vielleicht war das auch nur ein Trick, um seine Reaktion zu testen. Es würde sich bestimmt klären, wenn er erfuhr, um was es überhaupt ging.
Er öffnete die Verbindungstür zum nächsten Sprechzimmer, schaute hinein, ob sein Bruder allein war, und bedeutete dann den Beamten, hineinzugehen.
«Antonino, hier sind zwei Herren von der Kripo, die dich sprechen möchten.»
Antonino sah überrascht hoch und stand auf.
Als Domenico die Tür hinter den Beamten schließen wollte, winkte Werner ab. «Nein, bleiben Sie. Es ist vielleicht besser, Sie sind dabei.»
Domenico lehnte sich abwartend und betont lässig gegen den Türrahmen. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was man von seinem Bruder wollte, wenn es sich nicht um einen Patienten handelte. Antonino ließ sich niemals etwas zuschulden kommen. Er
Weitere Kostenlose Bücher