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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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dran, du hast mir versprochen, dass ich Patentante werde!«
    Über Lautsprecher wurde der Flug angekündigt. Pedro holte eine kleine Schachtel mit Löchern aus seiner Aktentasche und sprach geheimnisvoll mit ihr.
    »Und jetzt, meine Kleine, zu uns beiden!«
    Er rannte zur Toilette, schloss sich in einer Kabine ein und öffnete die Schachtel. Darin hockte ein erschrockener Papagei, der nach ihm schnappte.
    »Macht nichts, beiß du mich ruhig, Paquita! Aber was sein muss, muss sein!«
    Er sperrte dem Vogel den Schnabel auf und flößte ihm mit Hilfe einer Gummipipette den halben Inhalt eines Fläschchens ein.
    »Damit, meine Hübsche, wirst du mindestens zehn Stunden schlafen. Du wirst staunen, wenn du morgen aufwachst und überall Palmen siehst.«
    Dann setzte er das Tier wieder in die Schachtel und packte die Schachtel – nachdem er sie sorgfältig in goldenes Geschenkpapier eingewickelt, mit einem roten Band verziert und mit dem Aufkleber eines Pralinenherstellers versehen hatte – in seine Aktentasche.
    Er hatte zwei ganze Tage gebraucht, um den Papagei zu finden. Zunächst war er zu den Quais gegangen, zu den klassischen Vogelhändlern, wo man ihm erklärt hatte, dass es in Frankreich verboten sei, Papageien zu importieren, doch wenn man »nur richtig suche« …
    Schließlich hatte er den seltenen Vogel (und das war er wirklich) in einem Bistro in der Nähe von Saint-Gervais gefunden. Der Besitzer, ein jovialer Araber, wollte sich für die Summe von zehntausend Francs — was wirklich ein stolzer Preis war — nur zu gern von ihm trennen. Doch die Zeit drängte und der Papagei pfiff nicht nur perfekt die Marseillaise, sondern hatte außerdem noch »Napoleon, Hurensohn; geiler Arsch! Volltrottel! Arschficken! Arschloch!« und andere vulgäre Sprüche auf Lager.
    Nicht zuletzt imitierte der Papagei perfekt das Geräusch einer zuschlagenden Autotür und reproduzierte, eine bei seiner Rasse nahezu einzigartige Leistung, bis zur Perfektion das Geräusch eines Furzes, was bei den Gästen des Bistros wahre Begeisterungsstürme auslöste.
    Aber die Besitzerin wollte nichts von dem Handel wissen.
    »Du wirst all deine Gäste verlieren, Mamoud! Du bist verrückt. Die Leute kommen wegen des Papageis von weit her.«
    »Das ist mir egal! Dann kaufen wir eben einen anderen! Ich werde ihm beibringen, die Internationale zu pfeifen und ›Schnauze, Germaine!‹ zu sagen.
    Da die Besitzerin Germaine hieß, folgte ein heftiger Streit.
    Pedro musste also noch dreitausend drauflegen, was bedeutete, dass der Papagei ungefähr so viel kostete, wie ein kubanischer Arbeiter in zwanzig Jahren verdiente.
    »Diese Welt ist verrückt«, grübelte er vor sich hin, als er, in seinen Sessel in der ersten Klasse gefläzt – während der Papagei in der Aktentasche zu seinen Füßen schlief –, sein erstes Glas Champagner trank. Der Kontrast war zu groß. Es gab keine Werte mehr, keine Anhaltspunkte. Und er dachte, dass er nie mehr nach Europa zurückkehren würde.

 
     
     
    8
     
    D ER P ROZESS
     
     
     
    Havanna, März
     
    An der Zollabfertigung wartete bereits Jo auf seinen Vater und die beiden Koffer kamen problemlos durch den Zoll. Doch als sie beide dann durch die Kontrollschranke gingen, kreischte es schrill »Napoleon! Hurensohn!« durch die Halle, gefolgt von einer perfekt gepfiffenen Marseillaise.
    »Scheiße, was ist das denn, Papa?«
    »Ruhig! Das erzähle ich dir später«, flüsterte Pedro, dann fing er vor einer verwirrten Soldatin an, die Marseillaise zu pfeifen und »Napoleon! Hurensohn!« vor sich hin zu sprechen.
    »Mi padre es un poco loco!«, entschuldigte sich Jo und verneigte sich dabei leicht vor der Soldatin. Dann zog er seinen Vater eilig Richtung Ausgang.
    In Alt-Havanna kauften sie einen Käfig und stellten den Papagei dann mitsamt Körnern und Wasser in den Kofferraum.
    »Ich verlasse dich jetzt, mein Sohn! Maria wartet um fünf auf der Treppe vor ihrer Schule auf mich. Ich will absolut pünktlich sein.«
    »Bis bald, Papa«, sagte Jo, der sich zum Autofenster hinabgebeugt hatte. Pedro bemerkte erneut, dass er zitterte. Einen dicken Umschlag aus Packpapier aus seiner Jackentasche fischend, fügte Jo hinzu: »Ach ja, Papa, hier hast du das Geld zurück, das ich dir schulde. Da sind zweihundert Mille in Dollar drin. Ich dachte, du könntest es brauchen, jetzt wo du dein Haus baust.«
    »Wo hast du das so schnell her?«, fragte Pedro verblüfft.
    Jo wirkte verlegen. »Das erklär ich dir ein andermal, Papa, ich

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