L(i)ebenswert (German Edition)
wimmern.
„Wir werden es herausfinden. Der menschliche Körper kann viel ertragen, aber alles hat seine Grenzen. Erspare dir selbst die Qualen, du musst nicht sinnlos leiden.“
Tränen schimmerten in den weit aufgerissenen Augen, als der Gefangene den Kopf abwandte. Geron fasste ihn am Kinn und zwang ihn, wieder zu ihm aufzublicken.
„Du bist ein Vjalacher. Offenbar eine bekannte Persönlichkeit, da du deinen Namen nicht nennen willst. Bei euch gibt es keine jungen Feldherrn, also wirst du wohl der Sohn von einem der höheren Würdenträger sein. Du siehst, ich weiß bereits viel über dich und halte dir trotzdem keinen Säbel an die Kehle“, sprach Geron in ruhigen, freundlichen Ton. „Im Gegenteil, ich habe mich gegen den Kommandanten gestellt, um dich ins Trockene zu bringen und sogar den Feldscher kommen lassen. Und ich habe Medizin für dich, die es sicherlich wert ist, dein Geheimnis zu verraten.“
Der junge Mann bebte unter Gerons Hand, rang keuchend um Atem.
„Dein Name!“, forderte Geron, nun mit harter Stimme, unter der sein Opfer zusammenzuckte. „Ich will dich nicht foltern, hörst du? Sag mir deinen Namen“, fuhr er einschmeichelnd fort.
„…osh“. Der Hauch war zu leise, um ihn zu verstehen.
„Noch einmal“, befahl Geron streng.
„Ninosh.“ Er wurde ganz ruhig, als er das sagte. „Ninosh, jüngster Sohn des Mannik, König von Vjalach.“
Der Becher fiel aus Gerons Hand, der Schmerztrank ergoss sich über seine Hose. Es kümmerte ihn nicht. Fassungslos starrte er ihn an, diesen Mörder, diese Bestie, die mitverantwortlich war für so viel Tod und Elend sowohl in Nadisland als auch Vjalach selbst. Der ihm Baris genommen hatte. Geron wich von ihm zurück, unfähig zu entscheiden, was er jetzt tun sollte.
„Du“, presste er schließlich heiser hervor. „Du und deine Brüder. Manniks Söhne. Sie haben … Ihr habt eure Kriegsgefangenen in das Gotatal getrieben wie Vieh, bis sie dicht an dicht stehen mussten, habt wahllos auf sie mit Armbrüsten geschossen, habt sie gedemütigt, verletzt, mit ihnen gespielt und dann alle Eingänge verschüttet. Sie mussten verdursten, verhungern, sind bei Fluchtversuchen an den Steilhängen abgestürzt, haben sich gegenseitig getötet! Die wenigen Überlebenden, die es schafften zu fliehen, haben eure Gräueltaten weitererzählt. Erzählt, wie ihr gelacht habt, als Frauen euch weinend anflehten, die Kinder zu verschonen …“
Ihm brach die Stimme. Niemand wusste genau, wie viele Söhne Mannik besaß, da er mehrfach geheiratet und fleißig Bastarde gezeugt hatte. König Mannik, der mit Gewalt und seiner ihm treu ergebenen Armee seit über zehn Jahren Nadisland und noch drei weitere angrenzende Nachbarstatten mit Krieg überzog, der gegen seine eigene Bevölkerung kämpfte, die immer wieder versuchte, die Herrscherfamilie zu stürzen. Den Bedarf an Kämpfern deckte er mit Söldnern, die er mit der Beute aus den Kriegsgebieten bezahlte. Seine Brut war nicht besser als er, Mannik schickte gerne seine Söhne, um besonders grausame Taten zu begehen.
„Warst du im Gotatal dabei?“, fragte Geron leise. Freunde von ihm waren dort gestorben. Kameraden. Seine große Liebe …
„Nein. Ich schwöre, ich war nicht dabei.“ Ninosh blickte ihn offen an. Sehr ernst und aufrichtig. Zumindest wollte es Geron so scheinen. Es beruhigte ihn ein wenig, das tiefe Entsetzen ebbte ab. Der Gedanke, er könnte Baris’ Mörder das Leben gerettet, ihn beschützt, versorgt und sogar getröstet haben, war widerwärtig gewesen. Noch immer musste er tief durchatmen, um sich nicht zu übergeben. Oder durchzudrehen und diesen Bastard zu schlagen, bis nichts mehr übrig war, woran man ihn hätte erkennen können.
„Aber du bist … du bist einer von Manniks Söhnen.“ Geron sammelte sich. Er war ein Bannerführer, er durfte nicht zulassen, dass seine Gefühle Einfluss auf seinen Verstand und seine Entscheidungen nahm!
„Ja. Ja, ich bin ein Sohn des Königs. Und ja, an meinen Händen klebt Blut.“
Sah so ein wahnsinniger Massenmörder aus? Würde jemand, der wahllos Männer, Frauen und Kinder vergewaltigt, gefoltert und auf brutalste Weise umgebracht hatte, vor Angst zittern, wenn ihn jemand einfach bloß berührte?
Ninosh war ihm jung und verletzlich erschienen …
Auch der sadistischste Tyrann war irgendwann einmal ein süßer Säugling, dachte er. Schau, wie ruhig er daliegt. Dich beobachtet. Er ist hochintelligent und gefährlich. Hat sich bemitleidenswert
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