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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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des Städtchens in geölten Umschlägen und bedauert mit Schmerzen seine Schuld an unserem Unglück.
    Ich habe mit Freude gehört, daß wir ziemlich gut versichert waren, so daß der Geldverlust trotz allem nicht so riesig sein wird. Und was den sonstigen Verlust angeht, es gibt keinen! In Wahrheit nur Gewinn, soweit ich es erkennen kann, abgesehen von unserem armen, zerschundenen Doktor. Alle Leute waren großartig. Ich habe nicht gewußt, daß im menschlichen Geschlecht soviel Hilfsbereitschaft und Güte existieren. Habe ich je etwas gegen Aufsichtsräte gesagt? Ich nehme alles zurück. Vier sind sofort nach dem Feuer von New York gekommen, und alle hier Ansässigen waren prachtvoll. Sogar der ehrenwerte Cy ist so davon in Anspruch genommen, die Moral der fünf Waisenkinder zu beobachten, die bei ihm einquartiert sind, daß er uns nicht in die Quere kommt.
    Das Feuer war am Samstagmorgen, und am Sonntag haben die Pfarrer in allen Kirchen Freiwillige aufgerufen, ein oder zwei Kinder auf drei Wochen in ihren Häusern aufzunehmen, bis die Anstalt ihr Getriebe wieder in Gang gebracht hat.
    Es war erhebend, das Ergebnis zu sehen. Innerhalb von einer halben Stunde war jedes Kind untergebracht. Und bedenke, was das für die Zukunft bedeutet: jede dieser Familien hat von jetzt an ein persönliches Interesse an der Anstalt. Bedenke aber auch, was das für die Kinder bedeutet. Sie erfahren nun, wie eine echte Familie lebt; und für einige Dutzend ist es das erstemal, daß sie je über die Schwelle eines privaten Haushalts gekommen sind.
    Hör Dir folgende Winterpläne an. Der Landhaus-Klub hat ein Klubhaus für die Golf-Caddies, das im Winter nicht benutzt wird und das er uns höflich zur Verfügung stellt. Es grenzt hinten an unser Land an, und wir richten es für dreizehn Kinder unter Miß Matthews ein. Da unser Eßzimmer und die Küche noch heil sind, kommen sie für die Mahlzeiten und zur Schule hierher und gehen abends nach Hause, wobei ihnen der Spaziergang von einer halben Meile nur gut tun kann. „Den Golfpavillon“ nennen wir das Haus.
    Dann hat sich die nette, mütterliche Mrs. Wilson, die Nachbarin des Doktors — die, die unserer kleinen Loretta so gut getan hat — bereit erklärt, weitere fünf zu vier Dollar die Woche aufzunehmen. Ich überlasse ihr einige der vielversprechenden älteren Mädchen, die Hausfraueninstinkte gezeigt haben und gern in anständig kleinem Maßstab kochen lernen möchten. Mrs. Wilson und ihr Mann sind so ein feines Paar, sparsam, fleißig, einfach und hebevoll, — ich glaube, es wird den Mädchen gut tun, sie zu beobachten. Eine Ausbildungsklasse für den Ehestand!
    Habe ich Dir von den Knowltop-Leuten im Osten von uns erzählt, die in der Nacht des Feuers siebenundvierzig Kinder aufgenommen und ihre ganzen Gäste in Aushilfskindermädchen verwandelt haben? Sechsunddreißig haben wir ihnen am nächsten Tag abgenommen, aber sie haben immer noch elf. Habe ich Herrn Knowltop je einen knurrigen, alten Knicker genannt? Ich nehme es hiermit zurück. Ich bitte ihn um Verzeihung. Er ist ein süßes Lamm. Was glaubst Du, daß der gesegnete Mann in unserer Not getan hat? Er hat ein leeres Pächtérhaus auf seinem Anwesen für unsere Babys eingerichtet, hat selbst eine ausgebildete englische Baby-Schwester engagiert, die sie übernimmt, und liefert ihnen die überschüssige Milch aus seiner eigenen Mustermolkerei. Er sagt, er habe seit Jahren überlegt, was er mit der Milch anfangen solle. Er kann sich nicht leisten, sie zu verkaufen, denn er verliert an jedem Liter vier Cent!
    Die zwölf älteren Mädchen aus Schlafsaal A stecke ich in das neue Farmerhaus; die armen Turnfelts, die erst zwei Tage drin waren, werden ins Dorf abgeschoben. Aber sie eignen sich nicht für die Kinder, und ich brauche ihren Platz. Drei oder vier dieser Mädchen sind aus Pflegestellen als unbezähmbar zurückgeschickt worden, und sie brauchen eine energische Aufsicht. Was glaubst Du, was ich da getan habe? An Helen Brooks telegrafiert, sie soll den Verleger fahren lassen und statt dessen meine Mädchen übernehmen. Du weißt, daß sie hier ausgezeichnet sein wird. Sie hat probeweise zugesagt. Die arme Helen; sie hat genug von unabänderlichen Verträgen; sie will alles nur noch versuchsweise unternehmen!
    Für die großen Buben hat sich etwas besonders Schönes ereignet; wir haben ein Dankgeschenk von J. F. Bretland erhalten. Er ist zum Doktor gegangen, um sich für Allegra zu bedanken; sie hatten ein langes

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