Liebesfluch
an.
»Wenn du noch etwas brauchst, sag einfach Bescheid! Ich wünsche dir eine gute Nacht. Du weißt ja, dass das, was man in der ersten Nacht in einem fremden Bett träumt, in Erfüllung geht. Also, träum auch etwas Schönes.«
Kurz überlege ich noch, ob ich Stefan Gute Nacht sagen soll. Aber er ist nach meiner Ankunft nach oben in ein Zimmer verschwunden und hat sich nicht mehr blicken lassen. Komisch, denke ich. Wo er doch befürchtet hatte, dass Anja mich eher nicht so freundlich begrüßen würde. Warum hat er sich nicht zu uns an den Tisch gesetzt? Doch ich bin zu müde, um weiter darüber nachzudenken, und laufe schließlich schlaftrunken die Treppen nach unten.
Im ersten Moment kommt mir mein Zimmer wie eine große schwarze Höhle vor, weil man durch die Fensterfront ins unendlich Dunkle schaut. Es wirkt ganz anders als Wände.
Aber als ich das Licht anschalte, wird das Zimmer sofort wieder freundlich.
Bevor ich die Koffer auspacke, fahre ich noch meinen Laptop hoch. Ich bin überglücklich, als ich feststelle, dass ich tatsächlich das WLAN der Zeltners nutzen kann, und schreibe noch schnell eine Mail an Mom und Grandma, damit sie wissen, dass ich gut angekommen bin.
Weil meine Beine immer noch so kribbelig sind, mache ich die Terrassentür auf und gehe auf das gepflasterte Rechteck vor meinen Fenstern. Die Luft ist wunderbar warm und seidig und duftet wie das Summerfruit-Shampoo, das ich so gerne benutze. Ich schaue zum Wald hinüber, der wie ein schwarzes Loch alle Energie anzuziehen scheint. Aber das kommt mir sicher nur so vor, weil wir in Vegas nirgends Wald haben. Außerdem wird es bei uns niemals richtig dunkel, denn alle Gebäude, Hotels und Kasinos sind die ganze Nacht hindurch beleuchtet. Man muss schon weit in die Wüste rausfahren, um die Sterne zu sehen. Hab ich einmal gemacht mit Marc, aber der wollte gar keine Sterne anschauen, sondern bloß rumknutschen – was aber mindestens genauso schön war.
Es raschelt im Wald, dabei ist es vollkommen windstill. Wahrscheinlich Rehe oder Hasen.
Ich gehe wieder in mein Zimmer, lasse die Tür einen Spalt offen, damit Luft hereinkommen kann, durchwühle die Koffer nach meinem Kulturbeutel und dem Nachthemd. Dann probiere ich mein neues Bad aus. Meine Cremes und Lotions sehen in dem edlen Bad ein bisschen billig und irgendwie gammlig aus, aber außer mir wird das ja nie jemand mitkriegen. Die Duschkabine ist schön groß, das Wasser ist sehr heiß und ich fühle mich gleich viel besser, auch wenn ich im Spiegel übel müde aussehe.
Auf dem Weg ins Bett frage ich mich, warum Grannie so dermaßen dagegen war, dass ich mir ihre Heimat anschaue. Als ich ihr davon erzählt habe, dass ich mein Au-pair-Jahr in Deutschland verbringen möchte, hat sie mich gefragt, warum ich ausgerechnet in dieses Land wolle. Weil ich eben gerne ihre Heimat kennenlernen will, habe ich ihr geantwortet. Noch nie habe ich sie so wütend gesehen. ›Heimat‹, hat sie gesagt, das wäre nichts anderes als ein kitschiges, typisch deutsches Wort ohne jede Bedeutung.
Mich überfällt eine bleierne Müdigkeit und meine Gedanken werden zäh wie Kaugummi. Nachdem ich es mir im Bett gemütlich gemacht habe, wandert mein Blick zur Fensterfront. Gut, dass es hier nur Jalousien gibt und keine Gardinen vor den Scheiben sind, sonst könnte ich jetzt gar nicht sehen, wie schön der Mond aufgegangen ist. Irgendwie kommt er mir kleiner vor als in Vegas. Das bringt mich zum Lachen, denn es könnte leicht sein, dass in Vegas nur eine schick beleuchtete, viel zu große Mondattrappe am Himmel hängt, die genauso unecht ist wie der Eiffelturm oder die Pyramiden von Vegas. Nur ein Geschenk der Stadt an die verliebten Honeymooner.
Flitterwochen.
Unwillkürlich muss ich tief durchatmen. Es ist verdammt lange her, dass mich jemand geküsst hat. Viel zu lange. Vicky hat behauptet, wenn ich hierherfahre, dann bliebe das ein Jahr lang auch so, ganz einfach, weil es hier keine jungen Typen gäbe, wohingegen es in Paris von attraktiven Studenten nur so wimmeln würde. Und wenn ich mir diesen einsamen Halbmond über dem schwarzen Wald so anschaue, dann beschleicht mich das bange Gefühl, Vicky könnte recht behalten.
3. Er
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Mir selbst kommt es heute – nach so vielen Jahren und mit Abstand – einfach ungeheuerlich vor, was ich getan habe. Und doch habe ich es nur für dich getan.
Unfassbar, das Schicksal meint es endlich einmal gut mit mir.
Das Schicksal!
Bis
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