Liebesfluch
versuche, locker zu bleiben. Das ist verdammt schwer, weil ich noch nie vorher in so einer Situation war. Zu Hause wäre mir so etwas auch gar nicht erst passiert, denn in Las Vegas wäre ich nur zu wirklich guten Bekannten ins Auto gestiegen.
Was ist, wenn dieser Typ gar nicht der Mann ist, der mich vom Flughafen in Frankfurt abholen sollte?, schießt es mir durch den Kopf. Ich habe ihn natürlich nicht nach seinem Ausweis gefragt, als er in der Ankunftshalle ein mit Blümchen und Herzchen bemaltes Schild hochgehalten hat, auf dem Willkommen Venus Blue Bennett stand. Ich habe mich gefreut und bin zu ihm hingegangen, denn ich war sicher, dass er der Vater der Kinder ist, die ich ein Jahr lang betreuen werde. Und als er behauptet hat, seine Frau wäre zu Hause bei den kranken Zwillingen, da habe ich ihm natürlich geglaubt. Aber nun regen sich Zweifel in mir, als er die dunkle Auffahrt zu dem Parkplatz entlangfährt.
Meine Hände sind schweißnass, und obwohl ich eigentlich unheimlich müde bin, werde ich plötzlich hellwach. Was mache ich, wenn dieser Stefan auf dem Parkplatz zudringlich wird? Ich atme tief durch und versuche, ruhig zu bleiben. Eigentlich sieht er ja ganz seriös aus in dem grauen Anzug mit dem weißen Hemd und der blaugrauen Krawatte, die er trotz der Hitze nicht gelockert hat. Sein Profil mit der großen Nase, dem vollen Mund und einem leichten Dreitagebart wirkt sympathisch und erinnert mich eher an ein Model für Golfmode als an einen Serienkiller.
Mag ja sein, dass er nett aussieht, doch mir kommt es trotzdem so vor, als würde mich die Dunkelheit auf dem Parkplatz verschlingen. Die schlimmsten Gedanken schießen durch meinen Kopf. Woher kann ich wissen, wie es hinter seiner Stirn aussieht? Auch wenn er noch so harmlos und freundlich wirkt … Hat der Serienkiller Ted Bundy nicht sogar ein bisschen wie der junge Robert Redford ausgesehen?
Mein Herzschlag wummert in meinen Ohren, als Stefan in die allerdunkelste Ecke des Parkplatzes fährt. Schließlich bleibt er stehen, zieht die Handbremse an, dann dreht er mir seinen Oberkörper zu.
Und jetzt? Ich starre nach draußen, nichts als Büsche und Bäume. Stefan stellt nun auch die Scheinwerfer ab. Es wird stockdunkel und ich kann gar nichts mehr erkennen. Verzweifelt versuche ich, mich im Auto umzusehen. Mein Gepäck hat Stefan hinten im Kofferraum verstaut, ich habe nicht mal eine Handtasche, mit der ich zuschlagen könnte, und auch sonst kann ich nichts entdecken, womit ich …
»Venus«, sagt er und ich blicke erschrocken zu ihm auf.
Wenn er sich auch nur einen Millimeter zu mir herbewegt, schreie ich. Reflexartig bewegt sich meine rechte Hand in Richtung Tür. Vielleicht sollte ich lieber gleich rausspringen. Geniale Idee, Blue! Und dann, was machst du dann? Ganz alleine auf einem unbeleuchteten Parkplatz … Willst du darauf warten, dass irgendein Typ zum Pinkeln rausfährt? Schließlich kann das nur ein Mann sein, denn eine Frau, die auch nur einen Funken Verstand hat, würde hier niemals anhalten. Trotzdem greife ich nach der Klinke, es gibt ja sonst keine Alternativen.
»Venus, du hast doch nicht etwa Angst?«, fragt Stefan und nachdem sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehe ich, dass er mir zulächelt.
»Nein, überhaupt nicht«, gebe ich zurück und zwinge mich dazu, ihm bloß nicht zu zeigen, was gerade in mir vorgeht. Doch das ist nicht so leicht, denn in Gedanken sehe ich schon, wie er als Nächstes seine Hand auf meinen Schenkel legt. Ich halte das nicht aus, ich muss etwas sagen, jetzt sofort! Muss ihm klarmachen, dass sich Au-pair-Mädchen nur um die Kinder und nicht um die Väter der Kinder kümmern. Aber gerade als ich mir ein Herz fasse und anfangen will, schaltet er hastig die Innenbeleuchtung an.
»Entschuldige bitte. Ich hätte mit dir natürlich zu einer Raststätte fahren und dort einen Kaffee trinken sollen«, sagt er und blickt einen Moment durch die Windschutzscheibe ins Dunkle hinaus, ehe er sich mir wieder zuwendet. »Aber ich habe einfach zu lange überlegt, wie ich es dir sagen soll. Und dann kam nur noch dieser Parkplatz – wir sind nämlich gleich zu Hause.«
Verwirrt starre ich Stefan an. Ich verstehe überhaupt nicht, was er mir sagen will. Aber es scheint etwas Unangenehmes zu sein, denn auf einmal glänzen Schweißperlen auf seiner Stirn. Okay, es ist ziemlich stickig hier im Auto und die Klimaanlage hat er zusammen mit dem Motor ausgestellt, aber selbst ich schwitze nicht so
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