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Lieblingsgedichte der Deutschen - Die 101 beliebtesten und schönsten Gedichte aller Zeiten (Illustrierte Ausgabe) (German Edition)

Lieblingsgedichte der Deutschen - Die 101 beliebtesten und schönsten Gedichte aller Zeiten (Illustrierte Ausgabe) (German Edition)

Titel: Lieblingsgedichte der Deutschen - Die 101 beliebtesten und schönsten Gedichte aller Zeiten (Illustrierte Ausgabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe , Rainer Maria Rilke , Friedrich Schiller , Heinrich Heine , Eduard Mörike , Theodor Storm , Joseph von Eichendorff , Clemens Brentano , Theodor Fontane
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Haar,
die rüstigste der Wäscherinnen
im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm Schweiß
ihr Brot in Ehr und Zucht gegessen
und ausgefüllt mit treuem Fleiß
den Kreis, den Gott ihr zugemessen.

Sie hat in ihren jungen Tagen
geliebt, gehofft und sich vermählt;
sie hat des Weibes Los getragen,
die Sorgen haben nicht gefehlt;
sie hat den kranken Mann gepflegt,
sie hat drei Kinder ihm geboren;
sie hat ihn in das Grab gelegt
und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.

Da galt's, die Kinder zu ernähren;
sie griff es an mit heiterm Mut,
sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt 
entließ sie segnend ihre Lieben, 
so stand sie nun allein und alt,
ihr war ihr heitrer Mut geblieben.

Sie hat gespart und hat gesonnen
und Flachs gekauft und nachts gewacht,
den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
das Garn dem Weber hingebracht;
der hat's gewebt zu Leinewand.
Die Schere brauchte sie, die Nadel,
und nähte sich mit eigner Hand
ihr Sterbehemde sonder Tadel.

Ihr Hemd, ihr Sterbehernd, sie schätzt es,
verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz;
es ist ihr Erstes und ihr Letztes,
ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
am Sonntag früh sich einzuprägen;
dann legt sie's wohlgefällig fort,
bis sie darin zur Ruh sie legen.

Und ich, an meinem Abend, wollte,
ich hätte, diesem Weibe gleich,
erfüllt, was ich erfüllen sollte
in meinen Grenzen und Bereich;
ich wollt', ich hätte so gewusst
am Kelch des Lebens mich zu laben,
und könnt' am Ende gleiche Lust
an meinem Sterbehemde haben.

Weihnachten
- Joseph von Eichendorff -
    Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend' geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
    An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.
    Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
    Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt's wie wunderbares Singen-
O du gnadenreiche Zeit!

Das Wiedersehen
- Friedrich Gottlieb Klopstock -
    Der Weltraum fernt mich weit von dir,
So fernt mich nicht die Zeit.
Wer überlebt das Siebzigste
Schon hat, ist nah bei dir.

Lang sah ich, Meta, schon dein Grab,
Und seine Linde wehn;
Die Linde wehet einst auch mir,
Streut ihre Blum' auch mir,

Nicht mir! Das ist mein Schatten nur,
Worauf die Blüte sinkt;
So wie es nur dein Schatten war,
Worauf sie oft schon sank.

Dann kenn' ich auch die höhre Welt,
In der du lange warst;
Dann sehn wir froh die Linde wehn,
Die unsre Gräber kühlt.

Dann? Aber, ach, ich weiß ja nicht,
Was du schon lange weißt;
Nur dass es, hell von Ahndungen,
Mir um die Seele schwebt!

Mit wonnevollen Hoffnungen
Die Abendröte kommt:
Mit frohem, tiefen Vorgefühl
Die Sonnen auferstehn!

Das ästhetische Wiesel
- Christian Morgenstern -
    Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
    Wisst ihr,
weshalb?
    Das Mondkalb
verriet es mir
im stillen:
    Das raffinierte Tier
tats um des Reimes willen.

Der Zauberlehrling
- Johann Wolfgang von Goethe -
    Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.

Walle! walle
Manche Strecke,
Dass, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem,
vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen,
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen:
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!

Walle! walle
Manche Strecke,
Dass, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein!

Nein, nicht länger
Kann ich's

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