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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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1
    Das Räucherstäbchen verbrannte mit orangefarbener Flamme und duftete nach
Cannabis sativa
.
    In Südafrika wächst er wild, und man kann dort durch ganze Felder von hüfthohen Pflanzen wandern, wobei einen die fünfgliedrigen Blätter streicheln wie kleine Hände. Aber in London, wo ich lebe, findet man ihn meistens als zusammengepressten schwarzen Klumpen aus weichem, flockigem Harz. In diesem Zustand hat er einen Großteil seines Zaubers eingebüßt.
    In dem höhlengleichen Innenraum des Lagerhauses kräuselten sich die Rauchfäden in die Höhe und verloren dabei ihren süßlichen Duft an die Masse von säuerlichem Staub. Inmitten dieser Szenerie warf mir Detective Sergeant Gary Coldwood einen unverhohlen feindseligen Blick zu. Das Lagerhaus stand in der Edgware Road auf dem zugemüllten Gelände eines ehemaligen Gewerbeparks. Den zerschmetterten Fenstern und den endlosen leeren Regalreihen im Inneren nach zu urteilen, wurde es seit Jahren nicht mehr benutzt. Aber Coldwood hatte mich gebeten, ihn und ein paar uniformierte Freunde bei einer gesetzlich autorisierten Durchsuchung zu begleiten, daher konnte man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass der Schein trog.
    »Haben Sie lange genug herumgegammelt, Castor?«, fragte er und wedelte sich verärgert mit einer Hand die Rauchschwaden aus dem Gesicht. Ich weiß nicht, ob er mit diesem ausgeprägten Sinn für Takt und Diplomatie geboren wurde oder ob er ihn sich auf der Polizeischule angeeignet hatte.
    Ich nickte vage. »Fast«, sagte ich. »Ich muss das Mantra noch gut ein Dutzend Mal wiederholen.«
    Mein Gott, was soll ich sagen? Es war Samstagabend, und ich hatte bereits mehr als genug Mist an den Hacken, mit dem ich mich herumschlagen musste. Wenn Scotland Yard rief, dann war ich zur Stelle, denn sie zahlten sofort, aber das hieß nicht, dass es mir gefallen musste. Und außerdem glaubte ich, dass man ihnen eine kleine Show bieten sollte. Umso beeindruckter waren sie, wenn man am Ende die gewünschte Ware lieferte. Getreu dem Motto: »Seht her, Jungs,
das
ist Magie.« Was sollte es sonst sein, wenn Rauch und Spiegel involviert waren?
    Bislang war Coldwood der einzige Cop, der mich jemals anzweifelte, und das war wahrscheinlich der Grund, weshalb wir ganz gut miteinander auskamen. Ich respektierte jeden, der den Blödsinn durch den Weihrauch witterte.
    Aber heute Abend war seine Laune ganz mies. Er hatte in dem Lagerhaus keine Leiche gefunden, und das bedeutete, dass er in diesem Moment noch nicht wusste, womit er es zu tun hatte. Es konnte ein Mord sein, es konnte auch sein, dass der Mann, den sie suchten, getürmt war. Und wenn es tatsächlich ein Mord war, dann wäre es entweder der nötige Beweis für die Verhaftung, oder sechs Monate verdeckter Überwachung hätten sich einfach in Rauch aufgelöst. Daher wollte er Antworten, und das reduzierte seine sonst schon geringe Toleranz für meinen Sinn von Theatralik erheblich.
    Ich murmelte einige Variationen von
om mane padme om
, und er trat mir mit einem seiner schweren Scotland-Yard-eigenen Polizeistiefel im Takt gegen meinen Schuh. Ich saß mit angezogenen Knien vor ihm auf dem Boden, daher denke ich, es hätte durchaus auch schlimmer sein können.
    »Sagen Sie mir bloß, ob Sie irgendetwas sehen können, Castor«, schlug er mir vor. »Dann können Sie summen, was und so viel Sie wollen.«
    Ich stand langsam auf – langsam genug für Coldwood, dass er die Geduld verlor und sich entfernte, um nachzusehen, ob die Kriminaltechniker es geschafft hatten, irgendwelche Fingerabdrücke von einem ramponierten Schreibtisch in einer Ecke des Raums abzunehmen. Er war wirklich mies gelaunt. Ich konnte es an der Art und Weise erkennen, wie sein kantiges Gesicht – das an Dick Tracey erinnerte, wenn Dick Tracey zusammengewachsene Augenbrauen und ein Hautproblem gehabt hätte – auf seine Unterlippe herabgesackt war und sie zu einem trotzigen Wulst vorgestülpt hatte. Seine Körpersprache war ebenfalls ziemlich deutlich: Immer wenn er damit aufhörte, mit den Armen herumzufuchteln und -zudeuten, was er stets tat, wenn er Anweisungen gab, wanderte seine rechte Hand zu dem unauffälligen Schulterholster, das er unter seiner braunen Lederjacke trug, als wollte er nachprüfen, ob es sich noch dort befand. Coldwood hatte lange nicht mehr zu einer bewaffneten Einheit gehört, und man konnte erkennen, dass er sich noch nicht an sein neues Dienstutensil gewöhnt hatte.
    Ich schlenderte durch das Lagerhaus zur Tür, durch

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