Lieblingsgedichte der Deutschen
ihren Füßen! -
Ruft mich selbst mit Worten, stammelnd-süßen,
Als den einen, den sie heimlich minne! - -
Und dem Zagen kommt der Mut, behende
Weicht die Tür. Wer durfte sich erfrechen,
Ruft die Alte, und den Zauber brechen? -
Ohne Furcht! Hier kommt nur, der ihn ende!
Sie entweicht mit holden Scham-Gebärden;
Da umschließt er sie, und Glut und Sehnen
Löst bei beiden sich in linden Tränen,
Die der Mensch nur einmal weint auf Erden.
Und so stehn sie, wechseln keine Küsse,
Still gesättigt und in sich versunken,
Schon berauscht, bevor sie noch getrunken,
In der Ahnung dämmernder Genüsse.
Und auch draußen löst sich jetzt die Schwüle,
Die zerrissnen Wolken, regenschwanger,
Schütten ihn herab auf Hain und Anger,
Und hinein zur Hütte dringt die Kühle.
Als nun auch der Regen ausgewütet,
Wallen sie, die Alte gern verlassend,
Kinderfromm sich an den Händen fassend,
Wieder heim, von Engeln still behütet.
Als sie aber scheiden will, da ziehen
Glühend heiß die Nachtviolendüfte
An ihm hin im sanften Spiel der Lüfte,
Und nun küsst er sie noch im Entfliehen.
Des Sängers Fluch
- Ludwig Uhland -
Es stand in alten Zeiten ein Schloss so hoch und hehr,
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
D'rin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.
Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich.
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.
Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar:
Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmucken Ross,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoss.
Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton,
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz;
Es gilt uns heut' zu rühren des Königs steinern Herz."
Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;
Der König furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein,
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.
Da schlug der Greis die Seiten, er schlug sie wundervoll,
Dass reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll.
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.
Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit;
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.
Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.
"Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib.
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hoch aufspringt.
Und wie vom Sturm zerstoben ist all' der Hörer Schwarm;
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Ross,
Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloss.
Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:
"Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!
"Weh' euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Dass ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiecht,
Dass ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.
"Weh' dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all' dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms;
Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"
Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört;
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht,
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.
Und
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