Liliane Susewind – Mit Elefanten spricht man nicht! (German Edition)
einmal zuzuschlagen, denn Pia und Jesahja liefen herbei und riefen wie aus einem Mund: »Lass sie in Ruhe!«
Überrascht fuhr Trixi herum. Als sie erkannte, wer da gerufen hatte, schüttelte sie entgeistert den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was sich vor ihren Augen abspielte: Ausgerechnet Pia und der beliebteste Junge der Schule ergriffen mit einem Mal Partei für Liliane Susewind.
»Soll das ein Witz sein?«, stieß Trixi wütend hervor und richtete diese Frage vor allem an Pia. Was Jesahja mit der ganzen Sache zu tun hatte, schien sie ohnehin nicht zu begreifen.
»Das ist absolut kein Witz«, entgegnete Jesahja und trat einen Schritt näher. »Du lässt Lilli ab sofort in Frieden.«
Langsam wurden auch die anderen Schüler auf die kleine Gruppe aufmerksam, denn was da geschah, war offenbar noch absonderlicher als das Verhalten der Wölfe. Einer stieß den anderen an, und bald blickten alle auf Lilli, Trixi, Pia und Jesahja.
Lilli klammerte sich an der kleinen Mauer fest, während Trixi sich mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck an Jesahja wandte. »Ich hab doch nur …«, begann sie, doch Jesahja unterbrach sie barsch: »Du hackst schon seit Wochen auf Lilli herum. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss!«
Trixis Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. Hasserfüllt wanderte ihr Blick zu Pia. »Bist du derselben Meinung?«, fragte sie gepresst.
Pia zögerte kurz, straffte dann die Schultern und erwiderte ruhig: »Ja, Trixi. Es reicht wirklich langsam.«
»Spinnst du jetzt eigentlich total?«, brüllte Trixi Pia an und bekam vor Zorn rote Flecken auf den Wangen. »Vielleicht gefällt es dir ja besser, wieder allein rumzusitzen? Das kannst du haben!« Sie rief den anderen Mädchen zu: »Mädels, Pia fliegt raus. Und wer noch ein einziges Wort mit ihr spricht, fliegt ebenfalls raus. Klar?« Sie starrte ihre Anhängerinnen zornig an, aber die blieben merkwürdig still.
»Ich habe gefragt, ob das klar ist!«, wiederholte Trixi scharf, doch keins der Mädchen gab ihr eine Antwort. Stattdessen sahen alle verschämt auf ihre Schuhspitzen hinunter und fühlten sich merklich unwohl.
Trixi kochte vor Wut. »Das hab ich alles dir zu verdanken!«, schrie sie Lilli ins Gesicht und versetzte ihr einen Stoß in die Rippen. Lilli, die nicht mehr mit einer Attacke gerechnet hatte, verlor das Gleichgewicht. Sie kippte nach hinten über und fiel auf der anderen Seite der Mauer in ein Wasserbecken. Es war das Becken des Eisbären. Jesahja, Pia und Herr Gümnich, der nun endlich auf die Geschehnisse aufmerksam wurde, schrien laut auf und stürzten an die Mauer.
»Himmelherrgott!«, rief der Lehrer entsetzt und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Lilli war im Wasser untergegangen, kam aber ein paar Sekunden später wieder an die Oberfläche und japste nach Luft. Markerschütternd schrie sie: »Hiiiiiiilfeeeeee!!! Ich kann nicht schwimmen!«
Sofort brach im gesamten Zoo ein ohrenbetäubender Lärm los. Die Tiere begannen zu brüllen und zu kreischen, an ihren Gittern zu rütteln und hektisch hin und her zu laufen. Sie alle hatten den Schrei um Hilfe gehört.
Herr Gümnich wurde kalkweiß im Gesicht. »Was hat das zu bedeuten?«, flüsterte er. Mit einem Mal war ihm unheimlich zumute.
»Wir müssen Lilli da herausholen!«, rief Jesahja und lenkte die Aufmerksamkeit des Lehrers damit wieder auf das Wesentliche.
»Ja, aber wie denn?«, erwiderte Herr Gümnich und blickte sich verzweifelt nach einem Rettungsring oder etwas Ähnlichem um. Dann sah er den Eisbären. Der riesige weiße Bär beugte sich über den künstlichen Felsvorsprung oberhalb des Beckens, beäugte die hilflos mit den Armen rudernde Lilli und sprang dann ins Wasser. Die Schüler kreischten vor Entsetzen.
»O nein, nein!«, brüllte auch der Lehrer in Panik. »Der Eisbär … er schwimmt auf Lilli zu!«
Lilli, die sich inzwischen kaum noch an der Wasseroberfläche halten konnte, sah den Bären ebenfalls. »Bitte hilf mir!«, ächzte sie atemlos, und der pelzige Riese schwamm schneller.
»Er wird sie auffressen!«, schrie Pia gellend.
»Wird er nicht«, erwiderte Jesahja, aber niemand hörte ihn. Die Schüler und der Lehrer schrien immer lauter durcheinander, denn alle rechneten damit, dass das riesige Tier Lilli angreifen würde. Doch als der Eisbär Lilli erreichte, geschah etwas Merkwürdiges: Das Tier tauchte ab und schob sich unter das zappelnde Mädchen. Lilli krallte ihre Hände in das dichte Fell und hielt sich mit letzter Kraft
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