Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
Lilli.
»Ja! Und er hat Angst vor uns!« Der Grünling ließ die Flügel flattern. »Er erschreckt sich, wenn wir vorbeifliegen. Er hat eigentlich vor allem Angst! Vor Wasser von oben, vor Luftsausen, vor Brüllkästen!«
Lilli versuchte, dem Vogel zu folgen. »Vor Regen, vor Wind, vor … Autos?« Der Park grenzte an einige Straßen.
»Und er hat Angst vor dir! «, zwitscherte der Grünling weiter. »Er folgt dir zwar in den Bäumen überall hin, aber wenn du ihm zu nahe kommst, versteckt er sich.«
»Wo?«, rief Lilli. »Wo versteckt er sich?«
Ratlose Stille trat ein. »Wir wissen es nicht. Er versteckt sich sehr gut.« Der Grünling klopfte mit dem Schnabel auf die Parkbank.
Lilli dachte nach. »Hört zu!« Sie beugte sich vor. »Wenn ihr ihn nochmal seht, sagt mir bitte Bescheid. Ihr wisst ja, wo ich wohne. Ich möchte unbedingt mit ihm sprechen.«
Die Vögel versprachen ihr, die Augen offen zu halten, und flogen einer nach dem anderen davon. Lilli schaute ihnen nach und hoffte, sie würden den Schimpansen bald finden. Sie war sich sicher, dass sie ihm helfen konnte. Er musste ihr nur eine Chance geben.
Armstrong
Lilli träumte in dieser Nacht, Trina und ihre kleine Schwester Trixi hätten sie in einer Kiste eingesperrt und klopften von außen gegen die Wände, um sie zu ärgern. Das Klopfen hörte gar nicht mehr auf, und beinahe klang es, als sei Trina ein Hund und Trixi ein Vogel …
Lilli wachte auf. Sie war nicht in einer Kiste gefangen, sie lag in ihrem Bett! Merkwürdigerweise war das Klopfen aber immer noch da. Da bemerkte sie, dass am Fußende des Bettes ein Vogel saß. Es war der Grünling aus dem Park, der fleißig mit seinem kleinen Schnabel auf das Holz des Bettgestells klopfte, um Lilli aufzuwecken. Zwischendurch machte er immer wieder eine Pause und piepste: »Hallo! Es gibt Neuigkeiten! Hallo!«
Lilli spürte Bonsais Schnauze an ihrem Arm. »Aufwachen, Lilli!«, wuffte er. »Der Klopf-Heini geht mir auf den Senkel!«
Lilli rieb sich die Augen und setzte sich auf. »Hallo!«, grüßte sie den Grünling. »Habt ihr den Affen gefunden?«
»Ja«, bestätigte der Vogel. »Haben wir.«
»Wo ist er?« Mit einem Satz sprang Lilli aus dem Bett und griff nach ihren Schuhen – bereit, sich mitten in der Nacht in den Park davonzustehlen.
Der Grünling trillerte: »Er sitzt draußen.«
»Wo draußen?« Lilli schnürte sich die Turnschuhe zu und überlegte, wo ihr Pulli war. Im Park war es sicher kalt.
»Vor deinem Nesteingang.«
»Was?« Lilli schnappte nach Luft. »Vor dem Fenster?«
»Jawohl«, zirpte der Vogel. »Er sitzt da drüben und guckt dich an.«
Lilli sah zum Fenster. Es überkam sie heiß und kalt zugleich. Tatsächlich, da war er! Der Schimpanse saß im Apfelbaum vor dem Fenster und blickte sie mit seinen traurigen Augen an. Für einen Schimpansen war er sehr klein, wenn er auch kein Jungtier mehr zu sein schien.
Mit bedächtigen Schritten und klopfendem Herzen näherte Lilli sich dem Fenster. Sie hatte es für die Vögel offen stehen lassen, und so gab es keine Barriere zwischen ihr und dem Affen. Langsam streckte sie ihm die Hand entgegen. Obwohl der Baum zu weit weg war, um den Affen vom Fenster aus zu berühren, verunsicherte Lillis Bewegung den Schimpansen, und er wich zurück. »Es ist alles in Ordnung!«, sagte Lilli leise, aber das schien ihn nicht zu überzeugen. Er hangelte sich am Baum hinab, landete geräuschlos auf dem Boden und lief über den Rasen.
»Warte!«, rief Lilli. Der Affe durfte auf keinen Fall wieder davonlaufen! »Ich kann dir helfen. Hast du Hunger?«
Der Schimpanse blieb stehen. Vorsichtig sah er über seine Schulter zurück.
»Ich habe Bananen. Und Äpfel! Und Schokoriegel!« Die Riegel waren natürlich nichts für ihn, aber Lilli war zu aufgeregt, um daran zu denken.
Der Affe schien mit sich zu ringen. Offenbar hatte er großen Hunger.
»Komm bitte wieder rauf, ich tu dir nichts.«
Der Schimpanse zögerte noch immer, doch dann entschied er sich, Lillis Bitte zu folgen. Langsam kletterte er den Baum wieder hinauf, setzte sich auf den Ast in Lillis Höhe und schaute sie forschend an.
Lilli war froh, dass ihr Vater ihr jeden Tag einen Teller mit Obst auf den Schreibtisch stellte. Zwei Äpfel und eine Banane waren noch übrig. Die Banane war bestimmt genau das Richtige für den Affen! Allerdings sah sie noch ganz grün und unreif aus, deswegen hatte Lilli sie auch noch nicht gegessen. Dem Schimpansen konnte sie dieses harte, grüne Ding
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