Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
Hilfe, und Lilli sagte: »Genau.«
Da steuerte schon eine Kellnerin auf sie zu. Sie hatte einen blonden Pferdeschwanz und schien noch recht jung zu sein. Als Lilli genauer hinsah, stellte sie erschrocken fest, dass sie dieses Mädchen kannte. Es war niemand anderes als Trina Korks! Lilli wurde bleich. Sie kannte Trina aus dem Zoo, in dem sie selbst als Tier-Dolmetscherin aushalf. Trina hatte dort als Auszubildende gearbeitet, war aber von der Direktorin fristlos entlassen worden, nachdem sie und ihre jüngere Schwester Trixi Lilli und Jesahja durch einen gemeinen Trick in Lebensgefahr gebracht hatten.
»Tag«, sagte Trina lustlos und blieb vor dem Tisch stehen. Gelangweilt schaute sie in die Runde. Dann traf ihr Blick auf Lilli. Ihre Augen verengten sich und ihr Gesicht überzog sich schlagartig mit einer tiefen Röte.
»Zwei große gemischte Eisbecher mit Schokoladensoße, bitte«, bestellte Lillis Vater, dem nicht auffiel, wie hasserfüllt die Kellnerin seine Tochter anstarrte.
»Aha«, machte Trina, drehte sich um und preschte davon.
»Hoffentlich ist euer Eis besser als das Personal«, bemerkte Onkel Kornelius und knuffte Jesahja in die Seite, doch Jesahja blieb ernst. Er warf Lilli einen beunruhigten Blick zu.
Als Lillis Vater und Kornelius ihr Erwachsenengespräch wieder aufnahmen, sagte Jesahja leise zu Lilli: »Wir müssen vorsichtig sein. Trina ist garantiert noch sauer auf uns, weil sie unseretwegen aus dem Zoo geworfen wurde. Außerdem scheint es, als hätte sie nicht besonders viel Spaß an ihrem neuen Job.«
Lilli nickte. »Glaubst du, sie spuckt uns ins Eis?«
»Wer weiß?« Jesahja schüttelte sich angewidert. »Lass uns lieber mal reingehen und gucken, was sie macht.«
Lilli und Jesahja erhoben sich. Sie erklärten kurz, dass sie sich die Hände waschen wollten, und schlichen sich dann in die Eisdiele. Trina bemerkte sie nicht. Sie stand hinter der Theke und sprach mit einem Kollegen, der gerade mit den gemischten Eisbechern beschäftigt war. Lilli war erleichtert. Trina durfte das Eis offenbar nicht selbst zusammenstellen, also konnte sie auch nicht so leicht hineinspucken. Doch als Lilli hörte, worüber Trina mit ihrem Kollegen sprach, war ihre Erleichterung augenblicklich wie weggeblasen. Trina rief gerade: »Wenn ich es dir doch sage! Das Mädchen kann mit Tieren sprechen! Sie arbeitet im Zoo und übersetzt, was die Tiere sagen.«
Lilli war starr vor Schreck. Trina verriet ihr Geheimnis! Und das, obwohl Trina und alle anderen Zooangestellten der Zoodirektorin hoch und heilig versprochen hatten, es für sich zu behalten!
Der Kollege hörte Trina kopfschüttelnd zu und lachte. »Was redest du nur für einen Quatsch?«
»Ich war selbst dabei!«, brauste Trina auf. »Diese dämliche Kuh kann wirklich mit Tieren reden!«
Der Kollege musterte sie prüfend, lachte erneut und zeigte ihr einen Vogel. »Hör jetzt mit dem Blödsinn auf. Du solltest lieber das Eis zu Tisch vier bringen, anstatt Märchengeschichten zu erzählen.«
Trina presste wütend die Lippen aufeinander, nahm die beiden Eisportionen und stapfte nach draußen. Lilli und Jesahja duckten sich hinter einen Tisch und folgten ihr dann in einigem Abstand. Trina bemerkte jedoch, dass Lilli und Jesahja hinter ihr waren und warf Lilli im Gehen einen bitterbösen Blick zu. Dadurch passte sie nicht auf, wo sie hintrat, und stolperte über einen Stein. Trina taumelte. Mit den Eisbechern in den Händen wankte sie hin und her, verlor schließlich das Gleichgewicht und stürzte. Die beiden Eisportionen segelten im hohen Bogen durch die Luft, direkt auf Onkel Kornelius und Lillis Vater zu. Der erste Eisbecher landete auf Kornelius’ Bauch. Der zweite traf Lillis Vater an der Brust, und das Eis spritzte explosionsartig nach allen Seiten, sodass Herr Susewind im ganzen Gesicht mit Stracciatella-Klümpchen, Erdbeereis und Schokoladensoße beschmiert war. Bonsai, der zwischen den beiden saß, bekam ebenfalls etliche rosafarbene Erdbeereis-Tupfen ab. Frau von Schmidt schleckte genüsslich einen nach dem anderen ab und schnurrte dabei: »Ganz vortrefflich.« Lilli biss sich auf die Zunge, um nicht zu lachen.
»Oh … das«, stammelte Trina, »… das ist nicht gut …«
Da kam ihr Kollege angerannt. Als er die Bescherung sah, rief er: »Oh, entschuldigen Sie bitte!« und flüsterte in Trinas Richtung: »Wenn der Chef das hört, schmeißt er dich achtkantig raus!«
Trina wurde kreideweiß und schaute ihrem Kollegen reglos dabei zu, wie er
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