Lilians Verfuehrung
offe n - und wo sind die Herren alle ? Ich kann die Schlange gar nicht sehen.“ Lilian machte eine Handbewegung um sich herum. Sie waren nicht allein in der Bar, aber von den anwesenden Männern nahm tatsächlich keiner Notiz von ihnen.
„Du bist nicht offen, Süße. Du leidest immer noch unter dem, was der Idiot Dave dir einge redet ha t. Du musst das loswerden, und wenn Madame Petrowitsch es schafft, dir diesen Unfug auszutreiben, ist der Trip jeden Dollar wert, den du dafür bezahlt hast.“
Lilian sog die Luft scharf durch die Zähne ein und zuckte zusammen.
„Erwähne das nicht, sonst storniere ich die Buchung wieder. Der Preis hat es wirklich in sich ...“
„Wer Qualität sucht, muss zahlen“, meinte Karen lapidar und bestellte eine Flasche Champagner bei der jungen Kellnerin. Bevor Lilian protestieren konnte, hob sie die Hand und schüttelte den Kopf. „Nichts da, jetzt wird gefeiert. Ich lade dich ein.“
Das konnte ihr nur recht sein. Karen verdiente als Betriebswirtin deutlich mehr als sie, obwohl auch sie Berufsanfängerin war. Aber sie hatte es geschafft, direkt nach dem Studium eine Stelle im Marketing eines großen Internetunternehmens zu ergattern und sich mit Charme und spitzer Zunge rasch hochzuarbeiten. Lilian war sicher, dass sie in spätestens zwei Jahren die gesamte Marketingabteilung unter sich haben würde.
Sie war nicht neidisch auf den Erfolg ihrer Freundin. Im Gegensatz zu ihr wirkte Karen schon immer lauter, selbstbewusster und einfach präsenter, während Lilian zu ruhig war, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen.
Zu viel Aufmerksamkeit behagte ihr nicht.
„Ruf mich jeden Tag an und erzähl mir, was dort los ist“, sagte Karen und hob das Champagnerglas, um anzustoßen. „Ich will alles wissen, hörst du? Jedes Detail!“
Lilian lief puterrot an und trank hastig einen großen Schluck von dem prickelnden Getränk.
„Niemals! Ich würde mich schämen, dir so was zu erzählen.“
„Was denn? Ich erzähle dir doch auch immer alles!“ Karen schmollte künstlich, und Lilian musste lachen.
„Mehr, als mir lieb i st“, murmelte sie und zog das iP hone aus der Handtasche. Eine E-Mail von Aaron, auf die sie schon gewartet hatte. Eilig klickte sie die Nachricht an und las.
„ Guten Abend, Prinzessin,
wie war Dein Tag? Ich konnte mich heute kaum auf die Arbeit konzentrieren. Vielleicht hätte ich Dein Foto nicht als Bildschirmschoner auf meinem Laptop installieren sollen? (Kleiner Scherz)
Lausche gerade der Musik, die Du mir g estern gemailt hast, und genieße dabei einen Port Tonic. Die Musik ist großartig, ich liebe die Stimme der Sängerin. Danke, dass Du mich darauf aufmerksam gemacht hast, ich werde mich bald dafür revanchieren. Vielleicht mit einem Buch? (Keine Angst, kein langweiliges Fachbuch von mir – ich habe kürzlich einen sehr schönen Roman von Paulo Coelho gelesen, der Dir gefallen könnte - ich mache mich mal auf die Suche nach dem ebook für Dein iPhone, falls Du eine nette Urlaubslektüre magst.)
Der Regen in Seattle lässt ja nicht gerade Urlaubsstimmung aufkommen, aber ich hoffe für Dich, dass das Wetter in Portland etwas netter ist, damit Du die Zeit genießen kannst.
Fühl Dich geküsst von
Aaron“
„Und? Hat er wieder gesch rieben?“ Karen war wirklich unendlich neugierig . Lilian nickte.
„Ja. Zum Glück ist er nicht sauer, dass ich unser geplantes Treffen verschieben musste. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich den Urlaub dringend brauche , damit ich bei unserem Treffen entspannt bin .“
„Entspannt und rattenscharf“, meinte Karen und kniff ihr ein Auge zu. „Hast du überhaupt schon ein Foto von ihm gesehen? Nac hher ist er ein totaler Reinfall, und die ganze Aufregung war umsonst ?“
„Natürlich habe ich ein Foto von ihm gesehen! “
„Papier ist geduldig, das weißt du hoffentlich. Vielleicht hat er dir ein Bild von irgendeinem Typen aus dem Internet geschickt. Oder von einer Modelagentur?“ Karen kicherte.
„Das würde er nicht machen!“, rief Lilian empört. Oder würde er doch? Leider war das Foto nur sehr verwackelt und aus größerer Entfernung aufgenommen gewesen. Er sei nicht besonders fotogen, hatte er zur Entschuldigung gesagt, aber sie war zufrieden gewesen mit dem, was sie erkennen konnte auf dem schlechten Bild.
Zumindest war er nicht dick, kahlköpfig und auch nicht zwanzig Jahre älter als er vorgab. Womit man sonst durchaus so rechnen musste im Internet, davor hatte Karen sie eindringlich
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