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Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Riedripp: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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1 Bauernzorn
    Das Buch Ezechiel
    45:19 Der Priester nimmt etwas Blut von dem Sündopfer und bestreicht damit die Türpfosten des Tempels und die vier Ecken der (mittleren) Stufe des Altars und die Türpfosten des Tors zum Innenhof.
    45:20 Dasselbe sollst du am siebten Tag des Monats tun für die, die sich aus Versehen oder aus Unwissenheit verfehlt haben. So sollt ihr den Tempel entsühnen.
     
    Bauer Fränkel schob die quietschende Schubkarre aus dem kleinen Schweinestall in Richtung des dampfenden Misthaufens. Die acht Schweine kreischten aufgeregt. Immer wenn jemand den Stall betrat, rechneten sie mit Futter, das in ihrem speziellen Kleinstall-Dasein oft aus leckeren Küchenabfällen bestand. Vor allem die Kartoffelschalen, die es fast jeden Tag gab, liebten sie sehr.
    Der Morgen war für einen Tag Anfang Oktober empfindlich kühl, daher hatte der dunkelhaarige, große Bauer einen dicken, grauen Strickpullover über sein kariertes Flanellhemd gezogen. Der 45-Jährige, der deutlich jünger wirkte, trug eine braune Breitcordhose, die von Hosenträgern, welche er über den Pullover mit den rot-grünen Bündchen installiert hatte, fest im Schritt gehalten wurde und somit sein Gemächt vortrefflich zur Geltung brachte. Der untere Abschluss des Landwirtes steckte in schmutzigen, kotverschmierten Gummistiefeln.
    Die über 30 Meter hohen Birken, die das bäuerliche Anwesen nach Süden säumten, standen still, von den Spitzen ihrer goldgelb gefärbten kleinen Blätter tropfte der zu Tränen verdichtete Nebel. Der Ahornbaum dazwischen verschwendete das rotgezackte Gelb ungesehen im trüben Oktoberdampf. In jedem Nebelkristall, der ängstlich an den Blattspitzen zitterte, spiegelte sich milchig die kleine Bauernwelt – und stand auf dem Kopf. Der weiße, morbide Schleier überzog Hof und Landschaft, wie meist zu dieser Jahreszeit. Das nahe Ried sorgte mit recht zuverlässiger Klimasteuerung von Mitte September bis Ende November für morgendlich-dunstige Aussichten.
    Bauer Fränkel fluchte, als die Schubkarre mit der dampfenden Ladung Schweinemist ins Schwanken geriet, da er längs mit dem luftgefüllten Solorad in eine tiefe Traktorspur fuhr.
    »Heilandsakrament, Scheiße!«
    Und so roch es auch.
    Als er die Fuhre Mist wieder stabilisiert hatte, schimpfte der gut aussehende Mann laut weiter:
    »Alles kann man allein machen und den Hof übernimmt er dann doch nicht … Auf die Berufsschule muss der feine Herr, Fachhochschulreife, so ein Scheißdreck!«
    Schwungvoll kippte er die letzte Ladung Schweineexkremente mit der Kraft der Wut über ein schräg ansteigendes Dielenbrett auf den Misthaufen, der von einer maroden Mauer umgeben wurde.
    Die geleerte Schubkarre schob er energisch zur Riedseite des sanierungsbedürftigen Anwesens unter die brüchige Treppe zur ehemaligen Gesindekammer. Dann holte er die verwitterte, lederne Traktorjacke, seine Helmut-Schmidt-Gedenkkappe, wie er sie nannte, und ging zur Scheune, um den alten Fendt-Traktor herauszufahren. Auf dem Weg zur Scheune trat er nach der schwarzen Katze, die von links nach rechts seinen Weg kreuzte:
    »Drecksviech, bringst bloß Unglück!«
    Als er auf das hölzerne, verwitterte Scheunentor zuging, bemerkte er auf dem rissigen, grauen Balken des Türpfostens die seltsamen Flecken in Kopfhöhe. Als er näher kam und die feinen, kühlen Tröpfchen des Herbstnebels den Blick auf das Tor nicht mehr beeinträchtigten, sah er, dass es keine Flecken waren. Irgendjemand hatte irgendetwas mit kleinen Nägeln in Form eines Dreiecks an das Scheunentor geheftet.
    Er schritt weiter auf das Tor zu und begann zu schimpfen:
    »Ja Heilandsakrament, pfui Teufel, so eine Sauerei, dem werde ich seine dummen Späße noch austreiben. Die Schlachtabfälle macht er selbst weg, wenn er aus der Schule kommt.«
    Als er die drei ekelerregenden Objekte näher betrachtete, schüttelte er angewidert den Kopf. Nicht, dass es ihn vor den organischen Hängseln und dem süßlichen Geruch, der ihnen entströmte, grauste, vielmehr störte ihn die scheinbar absurde Anordnung der Schlachtabfälle. An einem Nagel war etwas gefaltetes Fleischkäseartiges aufgespießt, am zweiten Nagel hing ein rundes, runzeliges, schlauchartiges Gebilde. Es war undefinierbar und etwa kleinfingerdick, von braunrötlicher Färbung. Der dritte Nagel befestigte etwas mit getrocknetem Blut verschmiertes Nasenartiges. Die Mitte des Dreieckes zierte ein bräunlich gezeichnetes Auge.
    Der Bauer schüttelte noch einmal den Kopf und

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