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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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dichte Meer aus Bäumen ein. Zwischen den Baumstämmen war es beinahe windstill, nur die Wipfel regten sich im Wind und das Laub auf dem schmalen Pfad dämpfte das Geräusch der Ponyhufe. Lautlos sprang ein Reh auf, schaute erstaunt, verharrte ein paar Sekunden und verschwand mit graziösen Sprüngen im Dunkel des Waldes. Sirius tat, als hätte er sich erschreckt, und galoppierte los. Elena grinste nur und ließ den grauen Wallach laufen.
    An einer Wegkreuzung bremste sie seinen wilden Galopp. In Kürze würde die Dämmerung hereinbrechen, zu weit durfte sie nicht reiten. Sie lenkte Sirius nach rechts und parierte durch zum Schritt. Das dichte Fell, das sich das Pony bereits zugelegt hatte, dampfte in der kühlen Luft. Die hohen düsteren Fichten und Douglasien links und rechts der Schneise, die ein heftiger Sturm im letzten Frühjahr in den Wald geschlagen hatte, glichen einer gotischen Kathedrale, wie Elena sie auf der letzten Klassenfahrt besichtigt hatte, und versetzten sie in eine andächtige Stimmung. Ein paar Hundert Meter weiter hatte sie den Waldrand erreicht.
    Vor ihr lag die große Koppel, auf der die Herde der Jungpferde graste, die hier einen unbeschwerten Sommer verbracht hatten. Schon bald würden die Nächte zu kalt werden und man würde sie hinunter auf den Hof holen, wo sie in großen Laufboxen mit dicker Stroheinstreu den Winter über blieben.

    Der Abendnebel stieg aus den Wiesen und es sah so aus, als ob die Pferde schwebten. Eines der jungen Pferde, ein heller Fuchs mit einer breiten Blesse, hob den Kopf, blickte neugierig zu Elena und ihrem Pony herüber und stieß ein helles Wiehern aus. Die anderen taten es ihm nach und schließlich kamen sie näher, erst im Schritt, dann im Trab. Elena kannte jedes Pferd seit seiner Geburt und rief ihre Namen. Sie folgten ihr auf der anderen Seite des Zauns, dann mussten sie zurückbleiben und blickten ihr nach, wie sie den schmalen Feldweg hinab zum Amselhof entlangritt. Elena wusste, dass die Pferde noch eine Weile dort stehen würden, sich dann aber wieder dem Gras zuwenden und allmählich auf der großen Wiese verteilen würden. Unten, auf dem Hof, waren die ersten Lichter angegangen.
    Elena lächelte bei dem vertrauten Anblick des Amselhofes. Wie schön es doch war, hier leben zu können!

1. Kapitel
    Wie immer, wenn im Leben etwas wirklich Schlimmes passiert, geschieht es meistens ohne jede Vorwarnung und manchmal merkt man es erst gar nicht. An diesem Freitag im Oktober hatte ich auf jeden Fall keine Ahnung, welche Katastrophe der Tag mit sich bringen sollte, ganz im Gegenteil. Zuerst fing alles sogar richtig gut an, denn in der zweiten Stunde bekamen wir die Deutscharbeiten zurück.
    »Eine sehr gute Leistung, Elena! Sprachlich und inhaltlich hervorragend und wirklich spannend«, sagte Frau Wernke, unsere Klassenlehrerin, und mir klappte fast der Mund auf, als ich das Heft aufschlug und eine fette rote Eins unter meinem Aufsatz sah. Deutsch war neben Erdkunde und Bio mein Lieblingsfach, aber eine Eins hatte ich noch nie geschrieben.
    »Was hast ’n du?« Ariane war sonst nicht besonders scharf darauf, mit mir zu reden, doch jetzt konnte sie ihre Neugier nicht länger bezähmen und drehte sich zu mir um.
    »Eine Eins«, erwiderte ich so bescheiden wie möglich.

    »Glückwunsch«, brachte sie mühsam hervor und ihre babyblauen Augen funkelten feindselig. Sie warf ihr langes blondes Haar mit einer lässigen Bewegung über ihre Schulter und wandte mir wieder den Rücken zu.
    Ariane konnte es nicht leiden, wenn jemand besser war als sie, und schon gar nicht ich. Früher, in der Grundschule in Steinau, waren wir mal Freundinnen gewesen, aber das war lange her.
    Außer mir hatte niemand eine Eins gekriegt, Ariane also auch nicht, und das wurmte sie. Mir war klar, dass sie nur auf eine Gelegenheit lauern würde, mir eins auszuwischen, und damit musste sie nicht lange warten.
    In der vierten Stunde rief unser Mathelehrer Herr Graubner ausgerechnet mich an die Tafel, obwohl ich betont unbeteiligt in mein Mathebuch geguckt hatte. Ich hasste es, vor der ganzen Klasse zu stehen und von allen angeglotzt zu werden.
    »Dividiere das Produkt von 11 und 7 durch die Differenz von 12 und 5 und subtrahiere diesen Quotienten von 15.«
    Äh – was? Ich stand mit der Kreide in der Hand da, starrte dämlich auf die leere Tafel und merkte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Hinter mir kicherte jemand und das machte es auch nicht besser. Mir schoss alles Mögliche durch

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