Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
von Selbstmordanschlägen in Waziristan beteiligt sein. Obama wird ein Häkchen daran machen. Approved .
Töten in bequemen Sesseln: Kommandostand für Predator-Drohnen
Barack Obama ist noch frisch im Amt, noch immer schlägt ihm große Sympathie entgegen. Er ist der erste amerikanische Farbige, der es ins Weiße Haus geschafft hat, er verfügt über Charisma und die seltene Gabe, Menschen durch sein Auftreten, seine Reden, seine Ausstrahlung zu begeistern. Doch der Präsident hat sich offenbar längst mit der Notwendigkeit arrangiert, Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen, Entscheidungen, die in eklatantem Widerspruch stehen zu dem, was er im Wahlkampf versprochen hat: das Ende der Folter (die sein Vorgänger »kreative Verhörmethoden« nannte), die Schließung von Guantanamo und überhaupt die Verpflichtung auf amerikanische Werte selbst im Kampf gegen die ärgsten Feinde des Landes, islamistische Terroristen. Es ist anders gekommen. Noch könnte er auf die Bremse treten, könnte der verheerenden Entwicklung Einhalt gebieten. Er ist der Commander in Chief , er hat das letzte Wort – auch in diesem schmutzigsten aller schmutzigen Kriege. Aber an jedem Dienstagmorgen wird sein Votum über Leben und Tod erwartet. An diesem Dienstag im Januar 2010 stehen fünfzehn Al-Qaida-Verdächtige aus dem Jemen auf der »Nominierungsliste«.
Einer seiner Geheimdienstleute legt Obama die Dossiers vor. Für sie hat sich im Regierungsapparat der Begriff baseball cards eingebürgert, als seien darauf die sportlichen Eckdaten und Saisonleistungen von Baseball-Cracks verzeichnet. Diese »Karten« enthalten jedoch ein Foto, in der Regel einen heimlichen Schnappschuss, und eine kurze Biografie des Delinquenten. In dieser Woche geht es um einige Männer und Frauen, eigentlich Jungen und Mädchen, die über Wurzeln im Westen verfügen, also konvertiert sind. Sogar einige amerikanische Staatsbürger zählen dazu. Bei allen wird befürchtet, dass sie womöglich in ihre Heimatländer zurückkehren, um dort Unheil anzurichten.
»Wie alt sind diese Leute?«, fragt der Präsident, »wenn sie anfangen, Kinder einzusetzen, kommen wir in eine ganz andere Phase!«
Die Frage ist berechtigt: Bei zwei der fünfzehn Namen auf der Liste handelt es sich um Teenager, ein Mädchen sieht sogar jünger aus als die auf ihrem Steckbrief genannten 17 Jahre. Obama will noch einmal wissen, auf welche Erkenntnisse in- und ausländischer Geheimdienste die Vorentscheidung zurückgeht. Viele der ausgewählten Personen, über deren Leben er in den nächsten Minuten entscheidet, werden keiner konkreten Straftat bezichtigt. Es geht also bei ihrer Tötung nicht um Strafe, gleichsam als Ersatz für ein Gerichtsurteil, das es nicht geben kann, weil der Arm der amerikanischen Justiz nicht bis nach Pakistan oder in den Jemen reicht. Um was geht es dann? Um Rache für 9/11? Oder geht es um Vorbeugung, wie die Geheimdienste zu betonen nicht müde werden? Müssen die Amerikaner sie umbringen, bevor sie Amerikaner umbringen können? Die ihnen vorliegenden Informationen, so versichern die Sicherheitsexperten ihrem Präsidenten, lassen befürchten, dass die jungen Menschen in ihren Heimatländern Terroranschläge verüben werden. Vielleicht auch in den Vereinigten Staaten. Das lehrt zumindest die Erfahrung. Aber berechtigt diese Sorge dazu, einen staatlichen Mord vor der vermeintlichen Tat zu befehlen? Ohne Anklage, ohne Prozess, ohne das Recht auf Verteidigung und ohne ein Urteil? Gibt es ein höheres Interesse als die rechtsstaatlichen Werte einer Demokratie, die auf Gewaltenteilung basiert?
Zu diesem Zeitpunkt, im Januar 2010, ein Jahr nach seiner Amtseinführung, hat sich Barack Obama schon sehr oft den Vorschlägen und Wünschen seiner Berater gebeugt: 549 Menschen sind im Jahr 2009 durch amerikanische Drohnen, die den Namen »Raubtier« (»Predator«), »Falke« (»Global Hawk«) oder »Sensenmann« (»Reaper«) tragen, ins Jenseits befördert worden, in Pakistan, Afghanistan, im Jemen; später wird noch das afrikanische Somalia dazu kommen. Das ist mehr als in den acht Regierungsjahren von George W. Bush zusammen. Beim größeren Teil (etwa 350 Toten) handelte es sich offenbar um militante Mitglieder von al-Qaida oder anderer Terrornetzwerke, bei dem Rest um Zivilisten, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren (etwa 250 Tote). Auch bei einer angeblich so präzisen, fast »chirurgischen« Tötungsmethode wie Raketenabschüssen aus Drohnen gab und gibt es,
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