Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lob der Stiefmutter

Lob der Stiefmutter

Titel: Lob der Stiefmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
amüsieren sie uns jetzt. Sie gehören nun zu dem kleinen, gegen Süden gelegenen Reich in jenem Land, das man Jahrhunderte später Türkei nennen wird. Ebenso wie seine ausgedörrten Berge und seine bäuerlichen Untertanen, ebenso wie seine nomadischen Stämme, seine Falken und seine Bären. Letztlich mißfällt mir die Vorstellung nicht, daß später einmal, wenn die Zeit vergangen ist und alles verschlungen hat, was heute um mich herum existiert, über den Wassern, in denen die Geschichte Lydiens Schiffbruch erlitt, rund und sonnengleich, üppig wie der Frühling, für die Generationen der Zukunft nur eines überdauert: die Kruppe Lukrezias, der Königin, meiner Frau.

3.
Die Ohren des Mittwochs
    ›Sie sind wie die Muscheln, in deren perlmutternem Labyrinth die Musik des Meeres gefangen ist‹, phantasierte Don Rigoberto. Seine Ohren waren groß und schön gezeichnet; beide, wenn auch mehr das linke, tendierten dazu, sich am oberen Ende vom Kopf zu entfernen und sich nach vorne zu krümmen, entschlossen, sämtliche Geräusche der Welt für sich allein in Beschlag zu nehmen. Als Kind hatte er sich ihrer Größe und ihrer gebogenen Form geschämt, aber er hatte gelernt, sie zu akzeptieren. Und jetzt, da er einen Abend der Woche allein auf ihre Pflege verwandte, war er sogar stolz auf sie. Denn nach langem Experimentieren und Insistieren hatte er erreicht, daß diese ungefälligen Auswüchse – mit der Unternehmungslust des Mundes oder der Intensität des Tastsinns – an seinen Liebesnächten teilhatten. Auch Lukrezia liebte sie und überhäufte sie in der Intimität mit heiteren Schmeicheleien. In den Atempausen des ehelichen Gemenges pflegte sie sie »meine kleinen Jumbos« zu nennen.
    ›Offene Blüten, empfindliche Deckflügel, Auditorien der Musik und der Zwiegespräche‹, dichtete Don Rigoberto. Er examinierte sorgfältig mit der Lupe dieknorpeligen Ränder seines linken Ohrs. Ja, da erschienen schon wieder die kleinen Spitzen der Härchen, die er am vergangenen Mittwoch ausgezupft hatte. Es waren ihrer drei, asymmetrisch, wie die Punkte, an denen sich die Seiten eines ungleichseitigen Dreiecks schneiden. Er dachte an das dunkle Büschelchen, in das sie sich verwandeln würden, wenn er sie wachsen ließe, wenn er davon absah, sie zu vernichten, und ein flüchtiges Gefühl von Übelkeit überkam ihn. Rasch, mit der Geschicktheit langer Übung, faßte er diese Haarspitzen mit den Enden der Pinzette und riß sie eine nach der anderen aus. Das kitzelige Ziehen beim Ausreißen verursachte ihm einen köstlichen Schauder. Er mußte daran denken, daß Doña Lukrezia ihm mit ihren weißen, ebenmäßigen Zähnen kniend die krausen Härchen des Schamhügels entwirrte. Der Gedanke bescherte ihm eine halbe Erektion. Er bannte sie sogleich, indem er sich eine stark behaarte Frau vorstellte, mit Ohren, aus denen schlaffe Haarbüschel hervorquollen, und einem kräftigen Flaumbart, in dessen Halbdunkel zitternde Schweißtropfen hingen. In diesem Augenblick erinnerte er sich, daß ein Kollege aus der Versicherungsabteilung ihm bei seiner Rückkehr von einer Urlaubsreise in die Karibik erzählt hatte, daß die unbestrittene Königin eines Bordells in Santo Domingo eine urwüchsige Mulattin gewesen sei, die zwischen ihren Brüsten ein unverhofftes Haarbüschel zur Schau trug. Er versuchte, sich Lukrezia mit einem derartigen Attribut – einerseidigen Mähne! – zwischen ihren elfenbeinernen Brüsten vorzustellen, und spürte Entsetzen. ›Ich bin voller Vorurteile in Liebesdingen‹, gestand er sich ein. Aber einstweilen hatte er nicht die Absicht, auch nur auf eines davon zu verzichten. Haare waren gut, sie bildeten einen mächtigen sexuellen Anreiz, vorausgesetzt, sie befanden sich an der richtigen Stelle. Auf dem Kopf und auf dem Venushügel: willkommen und unverzichtbar; in den Achselhöhlen: gelegentlich hinzunehmen, um einmal alles auszuprobieren und zu erkunden (das war offenbar eine europäische Obsession), an Armen und Beinen jedoch keinesfalls und zwischen den Brüsten: niemals!
    Er schritt zur Prüfung seines linken Ohrs, wobei er die konvexen Spiegel zu Hilfe nahm, die er zum Rasieren benutzte. Nein, in keinem der Winkel, Vorsprünge und Krümmungen der Ohrmuschel waren neue Härchen gesprossen, außer diesen drei Musketieren, deren Vorhandensein er vor einigen Jahren eines schönen Tages überrascht entdeckt hatte.
    ›Heute nacht werde ich nicht lieben, sondern die Liebe hören‹, beschloß er. Das war

Weitere Kostenlose Bücher