Loewe 1 - Der Loewe ist los
Und der Leuchtschein fährt wie ein riesiger Zeigefinger über das Meer und zeigt den Schiffen den Weg. Wenn man hineingeht, ist es zuerst ganz dunkel und dann ist da eine steile Wendeltreppe, die muss man hinaufschnaufen. Und wenn man sich viele Male umgeschaut hat, kommt man an einer kleinen Tür vorbei. Manchmal steht sie offen, sie führt in die gute Stube des Leuchtturmwärters. Ein Lehnstuhl steht darin, ein Tisch, eine Uhr tickt und ein Fenster schaut hinaus über Insel und Meer. Aber man geht noch ein paar Stufen weiter hinauf und da wird es auf einmal hell, denn hier ist ein Rundgang im Freien, mit einem Geländer rundherum, und von dem aus schaut man über die ganze kleine Insel. Viel ist ja nicht zu sehen auf diesem kleinen Fleck Erde: Sand und Steine am Strand, ein paar Kiefern, zusammengeduckt und gekuscht vorm Wind. Eine Kate, ein Häuschen mit gelbem Strohdach, ganz am anderen Ende, und dazwischen etwas, was man einen Hafen nennen könnte — mit zwei Segelbooten. Ein bisschen Seetang und Wasser rundherum.
Der Leuchtturmwärter hieß Onkel Guckaus. Tagsüber saß er in dem Lehnstuhl und schlummerte. Alle Leuchtturmwärter schlafen am Tag, weil sie nachts die Lampe in Gang halten müssen.
An dem Tag, als Dok mit den Kindern und Schipp am Strand der Leuchtturminsel landete und gleich wieder allein weggeflogen war, um sich daheim um seine Tierpatienten zu kümmern, war Onkel Guckaus freilich aufgestanden.
»Guten Tag, guten Tag!«, hatte er gebrummt — immer, wenn er etwas gerührt war, klang es so, als ob er brummte — und hatte Kim und Pips in die Arme geschlossen. Schipp war von ihm freundlich gestreichelt worden.
Aber dafür schlief Onkel Guckaus dann an den folgenden Tagen um so fester.
Kim und Pips schliefen dagegen in der Nacht und am Tag räumten sie die Stube auf, wischten Staub und putzten den großen Vogelkäfig, der am Fenster hing. Schon zwei Jahre hing er leer dort; früher hatte einmal eine Krähe dringehockt und die war Onkel Guckaus’ Liebling gewesen. »Man kann nie wissen...«, pflegte er zu sagen, wenn er den leeren Käfig betrachtete. Und so blieb er an seinem Platz.
Pips schälte auch die Kartoffeln, setzte die Suppe aufs Feuer, während Kim die Ziege im Stall fütterte.
Oft ging Pips auf die Wiese, um zu malen, während Kim zum Fenster hinausschaute.
Heute war Pips wieder mal mit ihrem Malkasten losgezogen. Schipp hatte sie begleitet. Und Kim war in der Leuchtturmstube geblieben, um auf Onkel Guckaus aufzupassen. Aber er passte gar nicht gut auf. Schon dreimal hatte Zie laut gemeckert — was allerdings nicht viel zu sagen hatte, denn sie meckerte fast immer.
Aber Kim störte das nicht. Er guckte nämlich über die kleine Insel bis zum gegenüberliegenden Strand. »Da ist etwas angekommen«, sagte er zu sich. »Das ist gut. Eine Kiste oder ein Fass, und vielleicht ist etwas drinnen, was gut zu gebrauchen ist.«
Er schlich sich auf Zehenspitzen vom Fenster weg und zur Tür.
»Ich muss auf den Turm gehen«, sprach Kim und ging die Treppe hinauf auf den Turm. Dort nahm er ein langes Rohr, das an der Wand lehnte, und hielt es vor sein Auge. »Ach du Donnerwetter, es ist etwas Lebendiges, das schiffbrüchig ist und Hunger hat und Hilfe braucht.« Eilig stieg er die Treppe runter.
»Mähähähähähähähäh!«, machte es da. Er war Zie, die Ziege, die nie den Mund halten konnte. »Ich möchte mal wissen, wo Kim heute wieder mit dem Futter bleibt«, meckerte sie vor sich hin. »Das ist doch keine Art, eine arme, kranke, einsame, alte Ziege so lange allein zu lassen!«
»Ach du Donnerwetter, Zie muss auch noch gefüttert werden. Pass einmal auf, Zie!«, sagte er, indem er sich zum Stall hineinbeugte. »Es ist etwas angekommen, was Hilfe braucht.«
»Was denn, eine Ziege?«, fragte Zie.
»Nein, etwas viel Kleineres in einer Kiste oder einem Fass oder so etwas.«
»Ach«, meckerte Zie, »sicher eine Ratte, wie dumm! Kleine Tiere taugen nichts. Wenn ich nur an einen gewissen Kater denke...«
»Also, du willst hier bleiben?«, erkundigte sich Kim.
»Wer sagt das?«, fragte Zie. »Was wolltest du wohl machen, wenn diese Ratte, oder was auch immer es sei, dich angreift?«
Und so stolzierte sie neben ihm den Hang hinab, auf dem der Leuchtturm stand.
Vater Schluckauf
Vor dem kleinen Häuschen, das auf ihrem Weg lag, saß ein Mann und flickte ein Netz.
Dann machte er »huck« — wovon er seinen Namen bekommen hatte — und sagte: »Ei der Deubel! Da kommen doch Kim und
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