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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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Büchsen. Bier in Büchsen, Whisky in Büchsen (aber schlechter, kein Scotch). Kaugummi, Schokolade, Vegetable Stew, eine An Gemüseragout, dessen Zusammensetzung rätselhaft bliebe, wäre sie nicht auf dem Etikett vermerkt. Rührende Aufmerksamkeit: der Chinese, der ein Bewunderer des siegreichen Mutes ist, hat dem Mahl eine selbstbereitete Nachspeise hinzugefügt; das ist ein Leguanfilet –Kammeidechsen findet man in jener Gegend auf Schritt und Tritt –, an der Sonne getrocknet, in Zucker kandiert und mit einer Sauce angerichtet, die grün und rosa schillert und schimmligen, gebräunten Zucker enthält. Das Ganze ist genauso ungenießbar und unverdaulich, wie die Beschreibung es ahnen läßt. Aber jede gute Absicht ist ihres Lobes wert.
     
     
    Wieder beginnt das Surren des Motors ihn einzuschläfern. Glücklicherweise hat Gérard nicht viel gegessen und nichts getrunken. Auf jeden Fall, verglichen mit der vorletzten Nacht, ist es das reinste Kinderspiel, gegen diesen Schlaf anzukämpfen.
    So widersinnig das scheint, das Schweigen nimmt jetzt den breitesten Raum in der Landschaft ein. Das dichte, lastende, allgegenwärtige Schweigen. Ein Schweigen, das jeden Laut erstickt. Wo eine Pumpe am Horizont auftaucht, schlägt sie ihren Takt umsonst. Ihr friedliches Töff-Töff scheint sich dem Schweigen des Universums zu verbinden, es kaum zu unterbrechen. Der Wagen schluckt sie ein, ist daran vorbei. Zehn Umdrehungen der Räder, sie existiert nicht mehr. Und wieder nur Ebene.
     
     
    Las Piedras, sechzehn Kilometer. Das letzte Wegstück mit starkem Gefalle beginnt. Schwindelnde Kurven, Gebirgsrennen! Bremsen, runterschalten, steuern. Die Masse des Trucks schlägt die vorgeschriebene Richtung ein, legt sich schief, geht widerspenstig, als müsse sie gegen den Strom schwimmen, bis an den äußersten Kurvenrand heran, verliert die Verbindung mit dem Boden, findet sie wieder, stürzt auf den Ausgang der Kurve zu. Schneller, in Teufels Namen, schneller! Nicht so einfach, dies Geschicklichkeitsspiel. Das nächste Mal schneller als dieses Mal, die nächste Kurve noch mehr schneiden: ein Geschicklichkeitsspiel ist das, natürlich ist das ein Spiel. Der Tod sperrt den Rachen wieder auf, hat die Todessuppe vergessen, dort oben beim Taladro.
    Schwindelnde Kurven. Das Spiel der Füße auf den Pedalen ist wild, um zu bremsen, um zu kuppeln, um den Motor beim Durchgang durch den toten Punkt wieder auf volle Touren zu bringen, um weiterzurasen. Mit der Handfläche, mit der Faust geschlagen, fliegt der Schalthebel von Gang zu Gang, gestoßen, geworfen in seine Kerbe bei jedem Angehen einer neuen Kurve und wenn der Wagen sie verläßt.
    Die Reifen, das Differential seufzen, ächzen, schreien, keuchen. Die hundert und mehr Pferdekräfte heulen im Gleichklang. Das Steuerrad in Gérards Händen ist folgsam, lebendig, intelligent.
    Eine Warntafel am halben Hang kündet die Haarnadelkurven an. Jetzt wird es ernst. Die da lassen sich nicht mit achtzig nehmen. Brems! Brems, um Gottes willen! Das Bremspedal gehorcht nicht, aber es widersteht auch dem Druck seines Fußes nicht: es senkt sich ins Leere.
    Er reißt die Handbremse zurück. Natürlich genügt das nicht. Vielleicht ist noch Zeit, den Motor zu drosseln, die Gänge herunterzuschalten. Stürmer hört auf, die Fußbremse zu bearbeiten, geht aus dem fünften Gang heraus, gibt wütend und verzweifelt Gas. Der vierte ist drin. Die Nadel am Tachometer fällt mit einem Schlag auf sechzig. Das Chassis, die Federn, selbst der Aufbau stöhnen unter dem Druck; ein kurzes Knurren, gemischt mit den kleinen spitzen Schreien eines Reifens, der hinten an irgendeinem Stück Holz oder Eisen schleift, das sich vom Chassis losgerissen hat. Es bleiben nur dreißig Meter, um die Geschwindigkeit wenigstens noch einmal um die Hälfte zu verringern. Werden sie genügen? Ein neuer Tritt aufs Gas. Der Motor heult auf wie ein Zyklon. Der dritte Gang sitzt. Das Geländer ist jetzt ganz nahe.
    Gérard hebt den Fuß, der auf der Kupplung lag. Noch ein Stoß, aber schwächer, weicher, und ein deutliches Knacken, inmitten des Lärms: der Kardan ist im Kreuzgelenk gebrochen. Die Räder haben freien Lauf.
    Was soll das, daß du dich noch ans Steuer hängst, Kerl? Daß du dich dem widersetzt, was kommt, noch einen Versuch machst, den Wagen herumzureißen, damit er nicht senkrecht auf das Geländer prallt, das dich vom Abgrund trennt? Deine Anstrengung ist zu nichts mehr nütze; nur dem Petroleum hat sie gedient. Was

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