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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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heißen. O ja, das Beste kommt zuletzt, wie Mutter sagt. Warte mal... Was war es doch? Ah ich weiß: Wir haben Röntgenaufnahmen gemacht. Ein toller Spaß!» «C'est bien tout?»
    «C'est. Außer einer Kleinigkeit, die ich dir einfach nicht sagen kann, ohne über und über rot zu werden.»
    «Sagst du mir's später?»
    «Wenn wir im Dunkeln sitzen und ich es dir ins Ohr flüstern kann, dann ja. Schläfst du in deinem alten Zimmer oder auf einem Haufen mit Mutter?»
    «Im alten Zimmer. Deine Mutter muß sich vielleicht einer sehr schweren Operation unterziehen, Lo.»
    «Halte doch bitte an der Milchbar da», sagte Lo.
    Indes sie auf einem hohen Hocker saß und ein Streifen Sonne über ihren nackten braunen Unterarm fiel, wurde Lolita ein Turm aus verschiedenen Eissorten mit Kunstsirup obendrauf serviert. Errichtet und gebracht wurde der Bau von einem kräftigen, pickligen jungen Kerl mit speckiger Fliege, der mein zerbrechliches Kind im dünnen Kattunkleid mit wollüstiger Schamlosigkeit beäugte. Meine Ungeduld, Briceland und die Verzauberten Jäger zu erreichen, wuchs ins Unerträgliche. Glücklicherweise vertilgte sie das Zeug wie immer in Nullkommanichts.
    «Wieviel Geld hast du bei dir?» fragte ich.
    «Keinen Gent», sagte sie traurig, zog die Augenbrauen hoch und zeigte mir das leere Innere ihres Portemonnaies.
    «Das ist etwas, dem wir zu gebührender Zeit abhelfen werden», sagte ich schwülstig. «Kommst du?»
    «Glaubst du, daß es hier eine Toilette gibt?»
    «Da gehst du nicht hin», sagte ich bestimmt. «Es ist sicher ein Dreckloch. Komm jetzt.»
    Sie war im großen und ganzen ein folgsames kleines
    Mädchen, und ich küßte sie auf den Hals, als wir wieder im Wagen waren.
    «Laß das», sagte sie und sah mich mit ungeheuchelter Überraschung an. «Ich mag nicht, wenn man mich besabbert. Du Lüstling.»
    Sie rieb die Stelle an ihrer hochgezogenen Schulter.
    «Entschuldige», murmelte ich. «Ich hab dich einfach ziemlich gern.»
    Unter einem düsteren Himmel fuhren wir eine gewundene Straße hinauf und dann wieder hinunter.
    «Na, irgendwie ich hab dich auch gern», sagte Lolita mit zögernder weicher Stimme, stieß irgendwie einen leichten Seufzer aus und rückte irgendwie näher an mich heran.
    (O meine Lolita, wir werden nie ankommen!)
    Das hübsche kleine Briceland mit seiner unechten Kolonialarchitektur, seinen Andenkenläden und importierten Schattenbäumen durchtränkte schon die Dämmerung, als wir auf der Suche nach den Verzauberten Jägern durch die schwach beleuchteten Straßen fuhren. Die Luft perlte vom gleichmäßigen Geniesel, war aber trotzdem warm und grün, und eine Menschenschlange - hauptsächlich Kinder und Greise -wartete bereits vor der Kasse eines Kinos, das von feurigen Edelsteinen triefte.
    «Den Film will ich unbedingt sehen. Wir wollen gleich nach dem Essen hingehen. Ach, bitte!»
    «Vielleicht», stimmte Humbert zu - der schlaue, brünstige Teufel, der genau wußte, daß sie um neun, wenn seine Vorstellung anfinge, wie eine Tote in seinen Armen läge.
    «Paß auf!» schrie Lo und fiel vornüber, weil vor uns ein verfluchter Lastwagen mit pulsierenden rückwärtigen Karbunkeln an einer Straßenkreuzung bremste.
    Mir schwante, daß ich die Herrschaft über die Haze-sche Kiste mit ihren wirkungslosen Scheibenwischern und launischen Bremsen verlieren würde, wenn wir nicht bald, sofort, durch ein Wunder im allernächsten Häuserblock schon bei dem Hotel ankämen; aber die Passanten, die ich um Auskunft anging, waren entweder selber ortsfremd, oder sie fragten stirnrunzelnd «Verzauberte was?», als wäre ich ein Verrückter; oder aber sie verloren sich mit geometrischen Handbewegungen, allgemeinen geographischen Erörterungen und rein lokalen Anhaltspunkten in so umständliche Erklärungen («... wenn Sie auf das Gerichtsgebäude stoßen, fahren Sie Richtung Süden ...»), daß ich mich im Labyrinth ihres wohlgemeinten Kauderwelschs verirren mußte. Lo, deren entzückende verschiedenfarbige Eingeweide das süße Zeug bereits verdaut hatten, verlangte nach einer richtigen Mahlzeit und wurde zapplig. Was mich betrifft, so hatte ich mich zwar längst daran gewöhnt, daß eine Art von subalternem Schicksal (McFatums unzulänglicher Sekretär sozusagen) kleinlich dem großzügigen, großartigen Plan des Bosses in die Quere kam, aber dennoch war dies Herumsuchen und Herumkurven in den Alleen von Briceland vielleicht die schlimmste Nervenprüfung, der ich je ausgesetzt war. Wenn ich

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