Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
Vom Netzwerk:
dem Kofferbock. (Stimmte etwas nicht mit den großen grauen Augen meiner Lolita, fragte ich mich, oder waren wir beide in den gleichen verzauberten Nebel getaucht?) Sie trat auf den Koffer zu, hob ihre Füße mit den ziemlich hohen Absätzen ziemlich hoch und beugte ihre schönen Knabenknie beim Durchschreiten des sich magisch weitenden Raumes mit der Langsamkeit eines Wesens, das sich unter Wasser oder in einem Levitationstraum bewegt. Dann hob sie ein kupferrotes, entzückendes und ziemlich teures Jäckchen an den Ärmeln hoch, spannte es sehr langsam zwischen ihren schweigenden Händen, als wäre sie ein verzückter Vogeljäger, der einen unglaublichen Vogel an den Spitzen seiner flammenden Schwingen spreitet und dem es bei seinem Anblick den Atem verschlägt. Dann (während ich dastand und auf sie wartete) zog sie die träge Schlange eines glänzenden Gürtels heraus und legte sie sich um.
    Und dann kroch sie in meine wartenden Arme, strahlend, gelöst, und streichelte mich mit ihren zärtlichen, geheimnisvollen, unkeuschen, gleichgültigen Zwielichtaugen - wie das billigste aller billigen Hürchen! Denn die machen sie nach, diese Nymphchen - während wir stöhnen und sterben.
    «Was hat mein Katz gegen das Schüssen?» stammelte ich in ihr Haar (keine Gewalt mehr über die Sprache).
    «Wenn du's wissen willst», sagte sie, «du machst es falsch.»
    «Zeig mir, wie man's michtig rächt.»
    «Alles zu seiner Zeit», gab die Urheberin meiner Buchstabenvertauschungen zurück.
    Seva ascendes, pulsata, brulans, kitzelans, dementissima. Elevator clatterans, pausa, clatterans, populus in corridoro. Hanc nisi mors mihi adimet nemo! Junceapuellula,jopensavo fondissime, nobserva nihil quidquam\ aber natürlich hätte ich im nächsten Augenblick eine furchtbare Dummheit begehen können; glücklicherweise ging sie zur Schatztruhe zurück.
    Vom Badezimmer aus, wo ich ziemlich lange brauchte, auf ein plattes Körperbedürfnis herunterzu-schalten, hörte ich, stehend, daneben treffend, den Atem anhaltend, die kindlich hingerissenen Oh's und Ah's meiner Lolita.
    Die Seife hatte sie nur benutzt, weil es eine Gratisprobe war.
    «Na, kommjetzt, meine Liebe, wenn du ebenso hungrig bist wie ich.»
    Also hin zum Fahrstuhl, Tochter ihr altes weißes Handtäschchen schlenkernd, Vater voran (notabene: niemals hinter ihr, sie ist keine Dame). Als wir (nunmehr Seite an Seite) darauf warteten, abwärts befördert zu werden, warf sie den Kopf zurück, gähnte aus vollem Hals und schüttelte ihre Locken.
    «Wann seid ihr im Camp geweckt worden?»
    «Halb...», sie unterdrückte ein zweites Gähnen, «... sieben,» Mächtiges Gähnen, bei dem ihr ganzer Körper erzitterte. «Halb», wiederholte sie, und ihre Kehle füllte sich von neuem.
    Der Speisesaal empfing uns mit dem Geruch von gebratenem Fett und einem verblichenen Lächeln. Es war ein weitläufiger und prätentiöser Raum mit affektierten Wandmalereien, die verzauberte Jäger in verschiedenen Stellungen und Stadien der Verzauberung inmitten eines Sammelsuriums uninteressanter Tiere, Dryaden und Bäume darstellten. Ein paar vereinzelte alte Damen, zwei Geistliche und ein Mann im Sportsakko beendeten gerade schweigend ihre Mahlzeit. Der Speisesaal wurde um neun geschlossen; und die grüngekleideten Serviermädchen mit den steinernen Gesichtern hatten es glücklicherweise verzweifelt eilig, uns loszuwerden.
    «Sieht er nicht genau, aber ganz genau wie Quilty aus?» sagte Lo leise, und ihr spitzer brauner Ellbogen zeigte nicht direkt auf den einzelnen Esser mit den auffallenden Karos, der uns gegenüber saß, brannte aber sichtlich darauf, auf ihn zu zeigen.
    «Wie unser dicker Zahnarzt in Ramsdale?»
    Lo hielt den Schluck Wasser, den sie gerade trinken wollte, im Mund zurück und stellte ihr tanzendes Glas hin.
    «Ach was», sagte sie mit sprudelndem Lachen, «ich meine den Schriftsteller auf den Drom-Reklamen.»
    O Fama! 0 Femina!
    Als uns der Nachtisch hingeknallt wurde - ein mächtiges Stück Kirsch-Pie für die junge Dame und für ihren Beschützer Vanilleeis, dessen größten Teil sie umgehend ihrer Pie hinzufügte -, zog ich die Phiole mit Papas Purpurpillen aus der Tasche. Wenn ich an jene seekranken Fresken zurückdenke, an jenen seltsamen und ungeheuerlichen Augenblick, kann ich mein damaliges Verhalten nur durch den Mechanismus jenes Traumvakuums erklären, in dem ein gestörter Geist kreiselt; aber in jenem Augenblick selber kam mir alles ganz einfach und zwangsläufig vor. Ich

Weitere Kostenlose Bücher