London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)
zu verpassen hat mir Spaß gemacht.«
Ich hatte ihn zum Lachen bringen wollen, doch meine Worte hatten genau den gegenteiligen Effekt. Cam wurde schlagartig ernst. »Vorhin im Treppenhaus, als ich dich am Arm gepackt habe …«
Bei der Erinnerung daran wandte ich den Blick ab. »Wenn sich jemand mir gegenüber aggressiv verhält, werde ich immer ganz starr. Das habe ich mir bei meinem Vater angewöhnt.«
»Ich wollte nicht aggressiv rüberkommen.«
»Ich weiß.«
»Wusstest du übrigens, dass ich Kampfsport mache?«
Ich musterte seinen schlanken, muskulösen Körper. Ich war so sehr damit beschäftigt, ihn anzustarren, dass mir der plötzliche Themenwechsel gar nicht weiter seltsam vorkam. »Sieht man.«
Das entlockte ihm ein selbstgefälliges Grinsen. Ich rollte mit den Augen, woraufhin er lachen musste. Er schüttelte den Kopf und bemühte sich, wieder ernst zu werden. »Judo. Nate und ich gehen zusammen zum Training. Du solltest auch mal mitkommen, Jo. Selbstverteidigung zu lernen könnte dir helfen – dir wieder das Gefühl von Kontrolle vermitteln.«
»Ich weiß nicht so recht.« Ich konnte seinem Vorschlag nicht viel abgewinnen. »Außerdem arbeite ich montags bis mittwochs auch tagsüber, deswegen habe ich nicht viel Zeit.«
Schon wieder hatte ich ihn kalt erwischt. »Du hast noch einen zweiten Job?«
Ich lachte, weil ich zu wissen glaubte, weshalb er so überrascht war. »Ob du’s glaubst oder nicht, ich schnorre mich nicht bei Malcolm durch. Alles, was er mir schenkt, schenkt er mir freiwillig. Ich nehme seine Geschenke an, aber trotzdem muss ich noch unsere Rechnungen bezahlen. Außerdem muss ich ein bisschen Geld sparen, falls Cole später auf die Uni will. Da wir gerade von Cole reden – ich hole kurz meine Tasche, und dann gebe ich dir das Geld zurück, das du ihm ausgelegt hast.«
»Quatsch.« Als Cam sah, wie ich trotzig das Kinn vorreckte, wurden seine Augen schmal. »Ich meine es ernst.«
Hm. Dann würde ich wohl einen anderen Weg finden müssen, mich zu revanchieren – so, dass er nicht nein sagen konnte.
Als hätte er meine Gedanken erraten, sah er mich an, und wir lieferten uns einen stummen Kampf. Ganz langsam baute sich wieder die vertraute Spannung zwischen uns auf. Mein Blick wanderte von seinen Augen abwärts bis zu seinem Mund, seiner weichen, geschwungenen Oberlippe, in die ich hineinbeißen wollte … unter anderem. Ich fragte mich, wie sein Mund wohl schmeckte, wie es sich anfühlen würde, wenn er mir federleichte Küsse auf den Hals tupfte oder an meiner Brustwarze saugte …
Mein Inneres zog sich zusammen. Feuer brannte in meinen Wangen und zwischen meinen Beinen. Ich riss ruckartig den Kopf hoch. Cams Augen waren dunkler geworden, und auch er hatte sich unwillkürlich versteift.
Ich sprang vom Sofa auf. »Ich gehe jetzt mal besser.«
Cam erhob sich geschmeidig aus seinem Sessel. »Schaffst du das, alleine da raufzugehen?«
Für einen Moment hatte ich in seiner Gegenwart tatsächlich vergessen, dass ich kurz zuvor auf meine eigene Mutter losgegangen war. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. »Ich weiß gar nicht, wie …«
»Zuerst mal …« Cam kam vorsichtig auf mich zu, und ich musste einen kleinen Schauer der Begierde unterdrücken, als seine raue Hand sanft mein Kinn umfasste und meinen Kopf anhob. Als unsere Blicke sich trafen, wurde das Knistern zwischen uns noch stärker. Ich wollte meine Fingernägel in seine Haut graben, mich an ihm festkrallen und ihn nie mehr loslassen. Die Heftigkeit meines Verlangens erschütterte mich bis ins Mark. Wie konnte es sein, dass eine einzige Unterhaltung alles komplett verändert hatte? Der Cam, der jetzt vor mir stand, war ein ganz anderer, ein guter Cam. Jemand, dem ich mich nahe fühlte – näher als irgendjemandem sonst. Und ich musste erkennen, dass ich noch mehr wollte. Dass »nahe« nicht ansatzweise genug war.
»Red dir bloß keine Schuldgefühle ein«, befahl Cam sanft. »Komm ja nicht auf die Idee, dich bei ihr zu entschuldigen. Jeder andere hätte genau dasselbe getan wie du. Denk daran, was dein Onkel gemacht hat, als er gesehen hat, wie dein Vater dich verprügelt. Man beschützt diejenigen, die man liebt, das ist Instinkt. Manchmal veranlasst uns der Instinkt zu Reaktionen, die wir nie bei uns vermutet hätten.«
»Gewalt ist nie eine Lösung.«
»In einer vollkommenen Welt nicht, nein. Aber manchen Menschen muss man in der einzigen Sprache antworten, die sie verstehen.«
»Ich will nicht, dass
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