London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)
so was wie einen richtigen Vater, der mich mochte und sich um mich gekümmert hat. Auch auf Mum hatte er einen guten Einfluss.« Ich schluckte. Schon wieder stieg die Bitterkeit in mir hoch. »Zu gut.«
Cam erriet die Bedeutung hinter meinen Worten. »Deine Mutter hat sich in ihn verliebt.«
Ich nickte. »Ich glaube, sie hatte die ganze Zeit schon für ihn geschwärmt, doch meines Wissens ist nie was zwischen den beiden passiert. Onkel Mick hatte sie gern, aber mehr auch nicht.«
»Und dann?«
Dann kam jemand und hat ihn mir weggenommen. »Ein gutes Jahr später ist Onkel Mick nach Amerika ausgewandert.«
»Nach Amerika?«
»Vor vielen Jahren hatte er mal eine kurze Beziehung mit einer amerikanischen Studentin gehabt. Sie war für ein Auslandsjahr an der Glasgow University gewesen, ist dann aber zurück in die Staaten geflogen, und Mick ist in Schottland geblieben. Vierzehn Jahre später bekam Mick dann einen Brief von seiner dreizehnjährigen Tochter, von deren Existenz er bis dahin nichts gewusst hatte. Er ist hingeflogen, um sie kennenzulernen, einen Vaterschaftstest machen zu lassen und, ich vermute mal, die ganze Sache mit der Mutter zu besprechen. Er ist noch mal kurz zurückgekommen, aber dann hat er das Testergebnis erhalten. Sie war tatsächlich seine Tochter … Also hat er hier alles aufgegeben, um bei ihr zu sein.«
Cam schien zu spüren, wie sehr mich das im Innern zerriss. »Es tut mir so leid, Jo«, wisperte er.
Ich nickte. Ich war nicht in der Lage zu sprechen, so groß war der Kloß in meinem Hals. »Er sagte mir, dass er mich und Cole mitgenommen hätte, wenn das möglich gewesen wäre.« Ich hustete, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden. »Er hat mir gemailt, aber irgendwann habe ich aufgehört, ihm zu antworten, und eine Weile später ist der Kontakt eingeschlafen.«
»Und danach wurde es mit deiner Mum immer schlimmer?«
»Hm. Ich glaube, er hat ihr das Herz gebrochen. Sie trank immer mehr, aber so richtig schlimm wurde es erst, als wir hierher nach Edinburgh gezogen sind. Eine Weile ging es ihr noch ganz gut, sie hatte einen halbwegs anständigen Job, aber dann kam das mit ihrem Rücken, und sie konnte nicht mehr arbeiten. Also hat sie sich stattdessen betrunken, und zwar immer öfter. Bis sie irgendwann nichts mehr auf die Reihe gekriegt hat.«
»Und ihr könnt sie nicht verlassen, weil du nicht das Sorgerecht für Cole hast, und wenn das Jugendamt von eurer familiären Situation erfährt, würden sie ihn möglicherweise nicht dir zusprechen, sondern ihn in eine Pflegefamilie geben …«
»Oder noch schlimmer: Sie würden zu meinem Vater Kontakt aufnehmen.«
»Scheiße, Jo.«
»Das kannst du laut sagen. Ich habe mit sechzehn die Schule geschmissen, mir einen Job besorgt und versucht, uns irgendwie über Wasser zu halten. Aber es war echt hart. Es gab Tage, da musste ich unser letztes Kleingeld zusammenkratzen, um Cole eine Dose Bohnen kaufen zu können. Wir haben zwischen den Sofapolstern nach Münzen gesucht und genau abgemessen, wie viel Milch wir trinken durften. Es war die reinste Hölle. Und dann … habe ich jemanden kennengelernt. Er hat mir mit der Miete unter die Arme gegriffen, so dass ich ein bisschen Geld für Notzeiten zurücklegen konnte. Aber nach sechs Monaten hatte er keine Lust mehr auf mich, unsere Beziehung war wohl doch nicht so wundervoll gewesen, wie ich gedacht hatte.«
»Aber es hat dir die Augen geöffnet. Und danach hast du angefangen, dir reiche Männer zu suchen, um über die Runden zu kommen?« Cams Stimme klang gepresst, als er diese Frage stellte.
Ich wandte den Kopf ab, denn obwohl keinerlei Vorwurf in seiner Frage lag, schämte ich mich. »Ich war nie mit Männern zusammen, die ich unattraktiv fand oder nicht mochte.« Ich sah ihm ins Gesicht und hoffte inständig, dass er mir glaubte. »Ich habe Callum gemocht. Und Malcolm mag ich auch.«
Cam hob beschwichtigend die Hände. »Ich verurteile dich nicht dafür. Wirklich nicht.«
Das quittierte ich mit einem ungläubigen »Hm.«
Er räusperte sich. »Na ja, jedenfalls nicht mehr .« Er schüttelte den Kopf und runzelte betreten die Stirn. »Du musst mich echt für einen selbstgerechten Pisser gehalten haben.«
Ich lachte leise. »Ich glaube, so habe ich dich tatsächlich mal genannt.«
Seine Miene hellte sich auf. »Respekt, übrigens«, sagte er anerkennend. »Du hast es mir so richtig gegeben.«
Ich lächelte scheu. »Normalerweise hasse ich Konfrontationen, aber dir einen Dämpfer
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