Lord Garrows widerspenstige Braut
mit dieser Geste nur ihren Vater schockieren. Sie war selbst überrascht, wie sehr es sie befriedigte, in diesem großen starken Mann einen, wenn auch unwillentlichen, Verbündeten gegen den Earl zu haben.
Oh ja, dachte sie triumphierend, es wird bestimmt nicht länger als ein Jahr dauern, dann habe ich diesen Garrow so weit, dass er mit mir nach London zieht. Und dann werde ich meine Kampagne für die Rechte der Frauen fortführen. Vater wird keine Möglichkeit mehr haben, mich aufzuhalten. Wer hätte gedacht, dass sich das Glück so schnell zu meinen Gunsten gewendet hat? Ist das nicht ein Fingerzeig des Schicksals, dass meine Mission am Ende von Erfolg gekrönt sein wird?
2. Kapitel
James liebte im Allgemeinen keine Veränderungen. Aber in diesem Fall gab es keine Argumente mehr, sein Junggesellendasein fortzusetzen.
Im ersten Augenblick war es ihm reichlich gewissenlos vorgekommen, zu heiraten. Schließlich kam er mit seinem Geld auch ohne Frau und Kinder nur gerade über die Runden. Sein ganzes bisheriges Tun und Lassen war nichts weiter als der verzweifelte Versuch, seinen Pflichten nachzukommen. Eine Ehefrau zu versorgen, war nur eine weitere schwere Bürde. Und doch – wenn er Lady Susanna nicht zur Frau nahm, würde Eastonby ihn auch nicht zum Verwalter von Drevers machen.
Verwalter von Drevers … Wenn er daheim oder zumindest in nicht allzu weiter Entfernung von Galioch arbeiten könnte, wäre das ein Segen für ihn und den Clan. Und die Leute in Drevers wünschten sich schon lange einen anderen Verwalter … Das Wohlergehen so vieler Menschen hing von seiner Entscheidung ab. Er konnte es sich schlicht und einfach nicht leisten, seinen persönlichen Wünschen zu viel Bedeutung beizumessen.
Außerdem, gestand er sich ein, war es nicht so, dass es ihm widerstrebte, Eastonbys Tochter zu heiraten. Susanna war eine verlockende junge Dame. Und mit Sicherheit eine Herausforderung für jeden Mann. In ihrer Gegenwart hatte James eine Vorfreude, eine Aufregung empfunden wie schon lange nicht mehr. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er an sie dachte.
Normalerweise verstand sich James gut mit Frauen. Er mochte sie, und das schienen sie zu merken. Mit einer ganzen Reihe Frauen hatte er sich auch im Bett vergnügt, das allerdings überwiegend in seiner Jugend. Aber er war niemand, der sich verliebte. Das hatte er immer nachdrücklich klargestellt.
Er hatte bislang nur eine Frau geliebt – seine Mutter. Es war eine unerwiderte Liebe geblieben, was seinem Vater ebenso ergangen war: Sein Leben lang hatte der alte Lord Garrow darunter gelitten, sich gequält, um einer Frau zu gefallen, die Erfolg an irdischen Mitteln maß und daran, wie viele Leute sie mit ihrem Putz beeindrucken konnte. Zehn Jahre nach dem Tod seiner Eltern litten James und der ganze Clan noch immer unter den Folgen der hemmungslosen Kaufsucht seiner Mutter.
In den letzten vier Jahren, die seine Eltern noch lebten, hatte James selbst eine beachtliche Summe durchgebracht. Er hatte die übliche, nutzlose standesgemäße Erziehung absolviert und war danach durch Europa gereist. Er hatte gehofft, als vielgereister Schöngeist endlich den Beifall seiner mondänen Mutter zu finden – oder doch wenigstens von ihr beachtet zu werden. Doch sie schien nur die Reisen anderer junger Männer interessant zu finden.
Dass er so egoistisch gewesen war und das Familienvermögen zu einem Teil verschleudert hatte, quälte James beharrlich. Um ein gleich großes Vermögen zu hinterlassen, würde er lange als Verwalter tätig sein müssen …
"Sind Sie ein Optimist?" fragte Eastonby ihn plötzlich, als ob er James' Zweifel an der bevorstehenden Eheschließung ahnen würde.
James zögerte mit seiner Antwort. "Nun, ich bin kein ausgesprochener Pessimist, Mylord. Aber ein Optimist?"
"Ich bin eigentlich auch kein Optimist. Aber dennoch – ich vertraue darauf, dass Sie und meine Tochter zueinander passen. Sonst hätte ich diese Heirat nicht vorgeschlagen. Susanna braucht jemanden, der sie lenkt, einen vernünftigen Mann eben. Wenn sie nur nicht wieder in die Hände dieser Skandalweiber in London fällt! Diese Miss Bodichon hat fast unseren guten Namen ruiniert. Sie hat Susanna dazu benutzt, ihre Ideen von Frauenbefreiung und ähnlichem Unsinn unter die Leute zu bringen. Der Name meiner Tochter stand in allen Tageszeitungen. Furchtbar! Es war ein Skandal! Susannas Mutter wäre entsetzt gewesen, den Namen ihrer Tochter in etwas anderem als einer
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