Lord Garrows widerspenstige Braut
zwischen Zierpalmenkübeln darüber nachzugrübeln, warum er sich überhaupt die Mühe machte, ihn aufzusuchen. Was habe ich mit einem englischen Earl zu schaffen, der seine Pächter hungern und seinen Landsitz verkommen lässt? Unschlüssig drehte er seinen Zylinder in den Händen. Nun, es war auch eine Dame in Gefahr. Und er als Gentleman und Christenmensch konnte einem Mordanschlag schließlich nicht tatenlos zusehen.
"Hier entlang bitte, Lord Garrow", bat einer der Hotelbediensteten. Der Dienstbote führte James in den dritten Stock und klopfte an einer der weißen Kassettentüren, die vom langen Korridor abgingen. Als sie hereingebeten wurden, öffnete der Diener die Tür, bevor James ein luxuriös möbliertes Empfangszimmer betrat. Ein grauhaariger Mann mit eingefallenen Gesichtszügen saß dort an einem großen Schreibtisch und schrieb etwas auf einem Stück Papier. "Lord Garrow", meldete ihn der Angestellte höflich und zog sich zurück. Der Earl ließ sich von der Anwesenheit seines Besuchers nicht stören und schrieb weiter.
Als James einen Blick durch eine offen stehende Verbindungstür ins angrenzende Zimmer warf, sah er dort ein rothaariges Mädchen mit angezogenen Beinen in einem Sessel sitzen und lesen. Das Mädchen schien noch sehr jung zu sein. Es hielt den Kopf geneigt, während eine Flut glänzender fuchsroter Locken vor seinen Augen herab auf das Buch fiel, in dem es las. Unter den weiten Röcken des Krinolinenkleides lugten schmale Fesseln und bestrumpfte kleine Füße hervor. Geistesabwesend bewegte das Mädchen die Zehen.
Das muss Eastonbys Tochter sein, dachte James. In diesem Moment sah das Mädchen von den Seiten auf. Verärgert runzelte es die Stirn, als es ihn erblickte, sprang auf, eilte zur nächsten Tür und zog sie mit lautem Knall hinter sich ins Schloss. In diesem Moment wurde James klar, dass die Tochter Eastonbys trotz ihrer Zierlichkeit kein junges Mädchen mehr war. Sie war bereits eine erwachsene Frau. Und zwar eine hübsche, die sicher schon über zwanzig war, wie er schätzte.
Noch immer ignorierte der Mann am Schreibtisch ihn. Als James das ungute Gefühl beschlich, seine Zeit zu verschwenden, fragte er laut: "Lord Eastonby, nehme ich an?"
Der Mann blickte auf und legte seine Schreibfeder beiseite. "Das bin ich. Was führt Sie her? Sie sagten, Sie sind Lord Garrow?" entgegnete er barsch.
"Richtig. Ich bin der Laird von Galioch – in der Nähe Ihres Landsitzes im Norden."
"Sie meinen Drevers?"
"Ja. Aber das ist nicht der Grund meines Besuches. Zufällig hörte ich gestern Abend, wie ein Anschlag auf Sie geplant wurde. Daher hielt ich es für angebracht, Sie persönlich zu warnen."
Die Mundwinkel des Earls verzogen sich. "Und ich nehme an, ich soll Sie für diese Information angemessen belohnen?"
Tief atmete James ein, um die Fassung zu bewahren. Manche Leute sind eben von Natur aus misstrauisch, sagte er sich. In gewisser Weise war das Misstrauen des Mannes sogar nachvollziehbar. "Nein", erklärte er mit fester Stimme. "Eine Belohnung erwarte ich nicht. Es ist meine Christenpflicht, Sie zu warnen, dass Ihr Leben in Gefahr schwebt. Irgendjemand plant, Ihnen vor der Stadt bei Solly's Copse aufzulauern und Sie und alle Ihre Begleitpersonen umzubringen." Er nickte kurz zur Tür hin, durch die die junge Frau verschwunden war. "Die Rede war auch von Ihrer Tochter."
Überrascht sah der Earl ihn an. Er schob den Stuhl zurück, stand auf und unterzog den jungen Mann einer eingehenden Musterung. "Sie sind sich sicher?"
"Ja. Mindestens zwei Männer sind an dem Anschlag beteiligt. Einer hat unter dem Namen 'Ensmore' Quartier im Shipman's Inn bezogen. Der Stimme nach ist er ein Engländer, aber der Gastwirt wusste nicht, ob er von Adel ist. Ich konnte nur einem der beiden Verschwörer folgen, daher kann ich Ihnen nichts über den anderen sagen. Mit Sicherheit ist er hier aus der Gegend. Er spricht mit schottischem Dialekt und wirkte ziemlich gewöhnlich. Und er ist gewalttätig", fügte er hinzu, als er sich an den Tritt erinnerte, der ihm zuteil geworden war. "Was Sie mit diesen Informationen anfangen, ist Ihre Sache, Lord Eastonby. Einen schönen Tag wünsche ich noch."
James wandte sich ab und schritt zur Tür. Er war befriedigt, dass er getan hatte, was er als Ehrenmann tun musste. Aber er hatte mittlerweile mehr als zwei Stunden kostbarer Arbeitszeit vergeudet, so dass er rasch zur Baustelle zurückkehren wollte.
"Warten Sie!" insistierte der Earl.
"Heuern Sie
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