Lord Garrows widerspenstige Braut
wegen dieses Übergriffs zu schlagen. Benommen schob sie den Schotten von sich, der sie sofort losließ.
"Das war eine Frechheit, Garrow", zischte sie, während sie damit rechnete, dass er selbstzufrieden und arrogant grinsen würde. Aber er sah geradezu verzweifelt aus.
"Widerwärtig finden Sie mich offenbar nicht … Heiraten Sie mich doch, Lady Susanna! Ich verspreche Ihnen bei meiner Ehre, dass ich alles tun werde, was ich kann, damit Sie so unabhängig leben können, wie Sie es sich ersehnen."
Unabhängigkeit. Er hat erraten, was ich mir am meisten wünsche. Plötzlich wurde Susanna klar, warum er sich so viel Mühe gab – und ihr Freiheiten zugestand. "Sie sind derjenige von uns beiden", flüsterte sie und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, "Sie sind derjenige, der verzweifelt gern heiraten will!"
"Was die Heirat mit Ihnen angeht, so stimmt das in gewissem Sinne", gab er mit einem trockenen Lächeln zu. "Aber bedenken Sie bitte: Sie können nicht zurück nach London, Ihr Vater will Sie auch nicht allein hier lassen. Und, falls Sie es vorhin nicht mitbekommen haben: Ihr Vater sagte, dass Sie Ihre Cousine in York besuchen müssten, wenn Sie mich nicht heiraten wollen. Dort werden Sie wohl kaum die Freiheiten genießen, die Sie sich erträumen, Lady Susanna … Wenn Sie mich heiraten, dann werden Sie in Zukunft niemandem außer mir Rede und Antwort stehen müssen."
"Ich habe also nur die Wahl zwischen Ihnen oder einem Besuch in York? Nein, das muss ich überhört haben." Susanna ließ sich in einen Sessel fallen und überlegte. Verflixt und zugenäht! Der Schotte hat Recht. Cousine Mathilda ist eine Pedantin, wie sie im Buche steht, und ihre Kinder sind unerträglich verzogen. Aber abgeschieden von aller Welt in den Highlands leben? Einen Wildfremden heiraten? Bei diesem Gedanken seufzte sie tief auf. Aber andererseits waren ihr Mathildas Kinder ein Gräuel. Und dann der Mann ihrer Cousine – trotz seines Alters war er ein Schürzenjäger, der ständig hinter den armen Hausmädchen her war. Auf seine Aufmerksamkeiten freute sie sich weiß Gott nicht. Oh nein!
Lord Garrow stand da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, während er geduldig auf ihre Entscheidung zu warten schien. "Wir führen die Ehe natürlich nur zum Schein", teilte Susanna ihm schließlich kurz angebunden mit und blickte zu ihm auf.
Langsam schüttelte er den Kopf. "Nein. So verzweifelt bin ich auch wieder nicht."
Susanna schluckte, als sie sich vor Augen führte, was von ihr erwartet wurde. Obwohl sie sich nicht in allen Einzelheiten vorstellen konnte, wie eine Ehe vollzogen wurde, wusste sie, dass es nicht angenehm sein würde. Oh, sie hatte so einiges munkeln gehört … "Aber Sie würden mir Zeit geben, mich an meine Situation zu gewöhnen? Zeit, um Sie besser kennen zu lernen?" Sie ärgerte sich, dass ihre Stimme bei diesen Worten einen flehenden Unterton bekam.
"So viel Zeit wie nötig", versicherte er ihr. "Innerhalb vernünftiger Grenzen natürlich. Früher oder später müssen wir einen Erben in die Welt setzen. Wer soll Ihren Vater beerben, wenn nicht Ihr Sohn? Ihr Vater vertraute mir an, dass Sie schon fünfundzwanzig Jahre alt sind. Ich gehe auf die dreißig zu. Ewig können wir also nicht mehr warten, aber eilen tut es auch nicht gerade", fügte er hinzu.
Susanna stand auf, weil sie es als Nachteil empfand, zu ihm hochschauen zu müssen. Der Schotte war extrem groß gewachsen. Und sehr athletisch gebaut, wie sie feststellen musste, als sie ihn unschlüssig ansah. Seine Gesichtszüge waren angenehm und wohlgestaltet. Und seine grünen Augen und sein fröhlicher Mund, der gerne zu lächeln schien, gefielen ihr. Irgendwann musste sich Garrow das Nasenbein gebrochen haben, vermutete Susanna, denn der Nasenrücken war leicht gekrümmt. Ja, sie musste zugeben, er sah auf seine Weise gut aus. Seine dunklen Haare waren allerdings zu lang und mussten bei Gelegenheit geschnitten werden. Und er hatte offenbar fachkundige Hilfe bei der Kleiderwahl nötig. Dieses Jackett – es saß einfach nicht!
Zweifelnd sah sie ihn an. Trotz seines guten Aussehens und einer Portion Charme war er noch nicht verheiratet, und er wirkte auch nicht gerade herausragend intelligent. Ihr wurde mulmig zu Mute. Das deutete auf Probleme hin. Welcher Mann mit Verstand würde eine Frau heiraten, deren Vater freimütig ihre zahlreichen Defizite aufzählte und eifrig darauf bedacht war, sie loszuwerden? Nun, er besaß Anstand und war vermutlich
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