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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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Herzklopfen, aber ich behielt meine gewohnte Kaltblütigkeit. Da
berührte ich plötzlich etwas Weiches — rasch wollte ich zupacken, doch zuckte
ich mit einem Schrei zurück, ich hatte einen scharfen Hieb in den Handrücken
erhalten. Das schien mir nun mehr auf Einbrecher als auf Geister hinzudeuten.
Ich sprang aus dem Bett. Mit lautem Gepolter stürzte das kleine Tischchen um.
Meine Uhr und der Leuchter krachten auf den Boden. Und ein Rauschen ging durch
das Zimmer — als ob ein riesenhafter Vogel davonflöge.

    Ich
tat einen Satz, um den Eindringling zu ergreifen, und stolperte über etwas
Sackartiges, das bestimmt noch niemals hier gelegen hatte. Während ich mich aufrappelte
und den Leichnam — oder was immer es sein mochte — zu fassen suchte, vernahm
ich ein Springen und Tappen. Und fast gleichzeitig sah ich entfernt von mir, an
der Wand, wo mein Lehnstuhl stand, einen glühenden
Schein. Er leuchtete nur kurz auf, wie wenn ein glimmendes Holzscheit von einem
Lufthauch angeblasen wird. Und in diesem fahlen Licht erblickte ich einen
unförmig großen, runden Kopf mit zwei kugelförmigen Augen, die mich starr zu
mustern schienen. Gleichzeitig durchzog ein Geruch nach Rauch — besser noch,
nach Tabaksqualm — den Raum. Dort war, durchzuckte es mich, ein Totenschädel,
der Pfeife rauchte...
    Glücklicherweise
bekam ich die Lehne eines Stuhles zu fassen, hob ihn auf und schleuderte ihn
mit Gewalt gegen die Erscheinung. Es knallte dumpf. Der Stuhl zersplitterte an
der Wand. Im Nebenzimmer ertönte ein schriller Schrei, Cookie Pott fuhr aus dem
Schlaf.
    Der
Totenschädel gab einen Knurrlaut von sich.
    Da
wurde die Tür aufgerissen. Cookie Pott stand im Nachthemd auf der Schwelle.
Eine Kerze zitterte in seiner Hand. Er fuchtelte mit einer verrosteten Pistole.
    Gleich
darauf rauschte in der Toilette eine halbe Treppe tiefer die Wasserspülung.
    »Schade,
daß es gezogen hat«, brummte Cookie. »Jetzt werde ich nie erfahren, ob unser
Gespenst Groß oder Klein mußte .« In dieser Nacht
erschien es uns übrigens nicht mehr.

Ich besuche Mr. Pinch
     
    Wann
ich wieder einschlummerte, weiß ich nicht. Als mir Cookie Pott den Tee ans Bett
servierte, schien die Sonne bereits hell durch unsere blinden Scheiben. Im Zimmer
waren die Spuren der nächtlichen Ereignisse noch zu sehen: wir hatten nicht
geträumt.
    Während
Cookie Ordnung schaffte, bemerkte er: »Vielleicht ist der Wilde Westen doch
eine ruhigere Gegend als Bloodywood-Castle. Ich möchte wohl wissen, womit wir
diese nächtlichen Besuche verdient haben .«
    Ich
vermochte das zwar auch nicht zu erklären, beschloß aber trotzdem, meine Pläne
in aller Ruhe weiter zu verfolgen. Daher war ich eine gute Stunde später auf
dem Weg nach Seabridge. Seabridge ist die uns am nächsten gelegene kleine
Hafenstadt. Ein gemütlicher Ort, mit spitzgiebeligen Häusern, engen Gassen,
Kaufleuten, Handwerkern und Gaststätten. Weder die großen Segelschiffe noch die
neumodischen Dampfer legen hier an. Im Hafen schaukeln aber buntbemalte
Fischerboote in großer Zahl, auch Lastkähne. Viele von ihnen entstammen der
Bootswerft von Mister Coolwater 8 .
    Ehe
ich Bloodywood-Castle verließ, überlegte ich, ob ich nicht in die Stadt reiten
sollte, um meine etwas steif gewordenen Knochen an den Rücken eines Pferdes zu
gewöhnen. Ich begnügte mich aber damit, meiner treuen Stute Suleika einen Klaps
auf den Popo zu geben. Ich schwang mich auf mein Hochrad und radelte, mehr
schlecht als recht über den Feldweg nach Seabridge.
    Hügel,
Wiesen und verkrüppelte Weiden flogen beidseits an mir vorüber. Die Kinder
liefen in Holzpantinen hinter mir her, lachten und jubelten: »Der verrückte
Lord .«
    In
der Wasserrattengasse Nr. 9 schob ich mein Hochrad in den Hinterhof, und
schritt die fünf Steinstufen in das Kellergewölbe von Samuel Pinch hinab. Die
Türglocke bimmelte. Der alte Mr. Pinch tauchte wie ein Hutzelmännlein aus dem
Halbdunkel auf.
    Der
Keller war vollgestopft mit Krimskrams aller Art. Man fand bei Samuel Pinch
alte Kommoden genausogut wie zerschlissene Sofas, erblindete Spiegel, Porzellan
aus China, Gewänder aus dem Orient, aber auch Stoffe, Gewürze, Bücher und
Landkarten.
    Mr.
Pinch rückte seine goldene Brille zurecht und schüttelte mir die Hand. Er
kicherte. »Schön, daß Sie kommen, Mylord .«
    »Nun,
Sie haben mir eine Überraschung angekündigt .«
    »Ja,
ja. Eine Überraschung... schätze wenigstens, daß es eine ist. Ein Matrose hat
sie mir gebracht, kam aus

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